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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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hereinweht. Der Schuppen wird nur als Stauraum für Sachen genutzt, die zu kaputt, zu hässlich und selbst für den Dachboden zu nutzlos sind. Dinge, von denen die Leute dachten, sie könnten irgendwann einmal zumindest als Anzündholz dienen, die aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerieten, als neue Ladungen schöner Holzstämme, die eher der Vorstellung der Touristen von Brennholz für die großen Kamine von Rospetroc entsprachen, neben der Eingangsveranda aufgestapelt wurden. Hier riecht es nach Fäulnis und Käfern.
    Das Problem bei Familien wie der unseren ist, dass wir einfach nichts wegwerfen können, denkt er. Sobald irgendwas einem aus der Familie mal etwas bedeutet hat – und sei es nur, dass er es gekauft hat –, sind wir von Natur aus nicht mehr in der Lage, es loszulassen, wie unpraktisch das auch sein mag. Es geht um Geschichte (zumindest um jenen Teil, der uns in positivem Licht darstellt) und Besitz – selbst Kleidungsstücke bleiben in den Truhen und Schränken, bis die Motten sie so zerfressen haben, dass nur noch ein Haufen brauner Fusseln übrig ist. Dieses Haus zum Beispiel: Es gab keinen einzigen Gordhavo – oder genauer gesagt Blakemore –, der nach Großmutters Tod hier leben wollte, aber es kam natürlich überhaupt nicht in Frage, es zu verkaufen. Für das, was dieses Haus abgeworfen hätte, hätten wir den halben Felsen kaufen können, bevor er bei der Schickeria von Fulham so beliebt wurde, und jedes der Ferienzimmer in den Fischerdörfern Cornwalls hätte doppelt so viel Mieteinnahmen abgeworfen wie die Räume hier, und außerdem wäre die Wahrscheinlichkeit weit größer, dass sie ausgebucht wären.
    Ja, aber wenn wir es verkauft hätten, hätten wir es ausräumen müssen. Es ist weit besser, das der nächsten Generation zu überlassen, denkt er. Und erschaudert. Weiß der Himmel, was da oben auf dieser Plattform liegt oder in einem der anderen Nebengebäude. Die Leiter muss schon vor Jahrzehnten verschwunden sein, und keiner hatte je irgendeinen Grund, da hinaufzusteigen und nachzuschauen. Auf diesem Anwesen gibt es so viele Stellen wie diese. Keiner war beispielsweise im Kohleschuppen, seit die Heizung auf Öl umgestellt wurde – er weiß nicht einmal mehr, wo sich der Schlüssel befindet –, und so viel er weiß, könnte der Zwischenboden des Bootshauses inzwischen heruntergebrochen sein. Jedenfalls war zu seinen Lebzeiten niemand mehr dort, abgesehen davon, dass das Vorhängeschloss ausgewechselt und ein Schild angebracht wurde: BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR. Der Teich ist voller Algen und zugewuchert, weil die Quelle, von der er gespeist wird, zu schwach ist, um ihn klarzuhalten, und er kann sich nicht vorstellen, dass das Bootshaus je sonderlich reizvoll gewesen sein kann, nicht einmal zu den Glanzzeiten des Hauses.
    Mensch, wir leben heute ganz anders, denkt er. Andere Leute würden uns für verwöhnt halten, weil wir ganze Gebäude verfallen lassen, aber wir besitzen einfach zu viele. Die Wahrheit ist schlicht und ergreifend, dass wir zu viele haben.
    Halb wirft er die Tüte auf den freien Flecken zu seiner Rechten, halb lässt er sie fallen. Hört, dass etwas zerbricht, und verspürt bei diesem Geräusch einen Anflug von Genugtuung. Das wird ihr eine Lehre sein, dass man sich nicht einfach ohne ein Wort aus dem Staub macht.
    Bridget Sweeny. Die sieht nicht aus, als würde sie mit dem erstbesten Surfer durchbrennen, der ihr im Sommer über den Weg läuft. Sie schien sich von der Arbeitsbelastung nicht abschrecken zu lassen. Hat keine einzige dumme Frage über die Geschichte des Hauses gestellt oder eine von diesen albernen Bemerkungen über die Atmosphäre gemacht. Sie war ihm nicht wie eine jener Frauen vorgekommen, die beim ersten Problem gleich hysterisch werden. Hat einen recht vernünftigen Eindruck gemacht.
    Er knipst im Schuppen den Lichtschalter aus, während er sich zum Gehen umdreht, und im Haupthaus springt die Sicherung heraus. Sie wird wahrlich vernünftig sein müssen, denkt er, während er sich unter dem sternenlosen Himmel über den Hof vorwärtstastet.

7
    Rums.
    O mein Gott. Hab ich die Tür abgeschlossen? Hab ich sie zugeschlossen? Hab ich an alle Schlösser gedacht?
    Die Panik lässt sie im Bett erstarren, sie liegt gerade wie ein Brett da, Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn, als hätte sie eben ein türkisches Bad betreten. Und dennoch friert sie, fröstelt unter der dicken Decke, weil sie weiß, dass Kieran draußen steht. Weil sie weiß, was

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