Das Haus des Buecherdiebs
nachlässiger Haltung, salopp, elegant, künstlerhaft leger, nervös, durchgeistigt und doch rührend jugendlich«. Sein Leben lang war Adler von finanziellen Zuwendungen abhängig, nahm das Geld der Eltern, Verwandten und schließlich von jedem, den er anpumpen konnte. Zuweilen platzte er förmlich vor Tatendrang und schien kurz davor, ein bedeutendes, ja revolutionäres Werk zu schaffen, dann wieder versank er in tiefe Depressionen, verkaufte seine geliebten Bücher, sein Gewand und lebte wochen- und monatelang auf der Straße. Seine größte Leidenschaft war vermutlich die Liebe zu der Schauspielerin und Dichtermuse Lina Loos. Es muss wohl nicht eigens erwähnt werden, dass sie niemals erwidert wurde. Immerhin dankte ihm Lina Loos, deren schriftstellerische Ambitionen ebenfalls im Sand verliefen, seine Zuneigung mit freundlicher Anteilnahme und konkreter Hilfe. Ohne sie wäre er aus der Welt verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen. Wie so viele Literaten ohne Literatur wurde ihm zumindest die fragwürdige Ehre zuteil, in ein oder zwei Fußnoten in den Biographien bedeutenderer Personen erwähnt zu werden. Sein schattenhaftes Dasein endete 1942 in einem Pariser Irrenhaus.
Warum bis heute niemand auf die Idee gekommen ist, die Werke vollkommen obskurer Schriftsteller wie Carl Adler, Branwell Brontë oder jener Unzahl namenloser |113| Poeten zu sammeln, die längst der Vergessenheit anheimgefallen sind, ist unbegreiflich. Es müsste doch eigentlich zu den Instinkten jedes Bücherfreundes gehören, Vergessenes der Vergessenheit zu entreißen und all den Namenlosen ihre Namen zurückzugeben, um ihnen die Anerkennung zu schenken, die ihnen zu Lebzeiten verwehrt wurde. Doch wer sich auf diese Anregung einlässt, wird früher oder später auf das alte, unausweichliche Problem stoßen, das schon zu Beginn dieses Kapitels erwähnt wurde: das Platzproblem. Wahrscheinlich ist es ein Leichtes, ganze Häuser mit den Büchern unbekannter und vergessener Autoren zu füllen. Kaum hat man mit dem Sammeln begonnen, da muss man auch schon ein, zwei leerstehende Lagerhallen anmieten. Wirklich Platz sparen kann man wohl nur, wenn man es bei dem Gedankenspiel belässt und seine wild wuchernden Bibliotheken dort einrichtet, wo es keine Grenzen gibt: in der Phantasie.
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|114| Der Letzte der Atlanten
Wer nicht Unerwartetes erwartet,
wird das Unerwartete nicht finden.
Heraklit
Forrest J. Ackerman war von frühester Kindheit an einer besonderen Leidenschaft verfallen. Dieser wirklich gründliche Sammler kaufte einfach alles, was irgendwie mit Science-Fiction, Fantasy und Horror zu tun hatte – Bücher, Magazine, Manuskripte, Gemälde, Briefmarken, Filme, Filmfotos und -kostüme. Im Oktober 1926, als er gerade neun Jahre alt war, begann er mit einem einzigen Magazin, »Amazing Stories«. Die Zeitschrift war nur wenige Monate zuvor von Hugo Gernsback als Ableger seines Wissenschaftsmagazins »Science and Invention« gegründet worden und führte den Begriff »Science-Fiction« in die Literaturgeschichte ein. Anfangs druckte man auf billigem Papier oder »Pulp« (daher die Bezeichnung »Pulp-Fiction«) Erzählungen von H. G. Wells, Edgar Allan Poe und Jules Verne – später wurden sowohl die literarischen als auch die populärwissenschaftlichen Ambitionen etwas zurückgeschraubt. Autoren wie Edmond Hamilton, Jack Williamson, Abraham Merrit und E. E. »Doc« Smith erzählten lieber von Abenteuern in vergessenen Welten und fernen Galaxien, von Begegnungen mit glubschäugigen Monstern |115| und teuflischen Schurken, die das Leben einer leicht bekleideten Schönheit und das Schicksal der Erdenmenschen bedrohen – die Geschichten erschienen in mehrteiligen Serien, was den Reiz für jugendliche Sammler natürlich beträchtlich erhöhte.
Drei Jahre nach dem Kauf seines ersten Science-Fiction-Heftes machte sich Forrests Mutter große Sorgen. »Mir ist gerade klargeworden, wie viel von diesen Magazinen du schon hast«, sagte sie streng. »Nun, ich habe sie eben gezählt: Du hast siebenundzwanzig! Stell dir vor, wenn du erwachsen bist, sind es vielleicht schon hundert!«
Obwohl die Sammlung des Zwölfjährigen in einen Schuhkarton passte, konnte dieser bereits Erfolge auf anderem Gebiet verbuchen. »Science Wonder Stories« hatte einen Leserbrief von ihm gedruckt, und die Schilderung einer Reise zum Mars brachte ihm eine Auszeichnung des »San Francisco Chronicle« ein. Daraufhin gründete der junge Forrest Ackerman den »Boys
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