Das Haus des Buecherdiebs
Abu Hasan einen fahren ließ« ist zum Beispiel eine alte europäische Anekdote, die orientalisch eingefärbt wurde.
Sir Richard Burton hatte eine großzügige Auffassung von der übersetzerischen Freiheit, obwohl er selbst seine Arbeit als klar und wortgetreu einschätzte. Ein »schwar zer Sklave« im arabischen Original etwa wird bei ihm zu »einem großen, sabbernden, rabenschwarzen Neger mit rollenden Augen, in denen man das Weiße sah, ein wirklich grässlicher Anblick«. Es galt, einen Text zu erstellen, |122| der sprachlich und inhaltlich so eng wie möglich am arabischen Original (oder eher »den Originalen«) liegen sollte. Das Ergebnis war jedoch ein monströses Werk voller eigenwilliger und absurder Sprach- und Wortschöpfungen, die so oft ans Unverständliche grenzten, dass ein italienischer Übersetzer einmal bemerkte, er habe öfter das arabische Original konsultieren müssen, um Burtons Englisch zu verstehen. Jorge Luis Borges würdigte hingegen dessen Leistung, indem er behauptete, eine genaue und neutrale Übersetzung würde keinen Beitrag zur Literatur leisten. Der Orientalist Robert Irwin wiederum, der sich mit sämtlichen Originalen und Übersetzungen von »Tausendundeiner Nacht« eingehend befasst hat, hält Burtons Prosa in ihren besten Passagen für prächtig und pompös, in ihren schlechtesten für schwülstig, undurchschaubar und obskur.
Eine weitere Eigentümlichkeit Burtons sind die unzähligen umfangreichen, umständlichen und oft abschweifenden, zuweilen sogar ins Autobiographische übergehenden Fußnoten, in denen er eloquent seine rassistischen Vorstellungen darlegt, seine Theorien zu sexuellen Vorlieben und Praktiken präsentiert, einen Humor pflegt, der sich öfter als nötig um das Furzen dreht, und persönliche Erlebnisse zum Besten gibt. Einmal schildert er ausführlich, wie er in Alexandria von einem Hund angefallen wurde, ein anderes Mal geht er Swedenborgs interessanter These nach, dass im Jenseits niemand mehr den Menschen auf den Hinterkopf schaue. Seine Anmerkung zum Begriff »Scheich« erklärt, dass nach der islamischen Lehre Abraham der erste |123| Mann war, der sich das Haar scheitelte und einen Zahnstocher benutzte.
Für Robert Irwin ist Burtons Übersetzung das Werk eines exzentrischen und verbitterten Außenseiters, »eines Mannes, der mit dem Foreign Office, dem Auswärtigen Amt und den Kolonialbehörden ebenso auf dem Kriegsfuß stand wie mit der anglikanischen Kirche und nahezu der gesamten literarischen und akademischen Welt«. War Burton also ein Held oder ein Spinner? Sicher ist, dass er die Literatur, die er übersetzte oder eher freisinnig bearbeitete, ebenso liebte wie die Jagd nach verschollenen und obskuren Manuskripten in alten Bibliotheken und auf den Bazaren des Orients. Gemeinsam mit seinem Freund Foster Fitzgerald Arbuthnot, einem unersättlichen Sammler klassischer Erotika, gründete er die Kama Shastra Society. Um die britische Zensur zu umgehen, die es auf alles abgesehen hatte, was als unzüchtig und obszön galt, wurde Benares als Adresse genannt. Die Gesellschaft veröffentlichte zunächst bibliophil ausgestattete Übersetzungen des »Ananga Ranga« und »Kama Sutra«, der berühmten Liebeslehrbücher Indiens, des »Duftenden Gartens«, eines arabischen Erotikons des Tunesiers en-Nafzawi, und schließlich die »Geschichten aus Tausendundeiner Nacht«. Wenn man auch daran zweifeln kann, ob Sir Richard Burton ein guter Übersetzer war, steht außer Frage, dass er mit der Leidenschaft eines wahrhaft Bibliophilen zu Werke ging. Zumindest hat er eine in der englischen Literatur einmalige Kuriosität geschaffen, die von vielen verachtet, gehasst und verspottet, aber von |124| einigen Kennern liebevoll verteidigt wurde. »Der nahezu unerschöpfliche Prozess der englischen Literatur ist bei Burton gleichsam schattenhaft zugegen«, heißt es bei Jorge Luis Borges, »die schroffe Obszönität John Donnes, das gigantische Vokabular Shakespeares und Cyril Tourneurs, Swinburnes Hang zum Archaischen, die krasse Gelehrsamkeit der Traktatschreiber von 1600, die Energie und Unbestimmtheit, die Liebe zu den Stürmen und zur Magie.«
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|125| Der magische Schlüssel
In Büchern liegt die Seele aller vergangenen Zeiten.
Thomas Carlyle
Der Ursprung der Bücherliebe wurde nie erforscht oder ergründet. Wahrscheinlich ist dies auch vollkommen unmöglich. Doch jeder, der von der Bibliophilie oder Bibliomanie erfasst wird, kann vermutlich von einem
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