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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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die er auf acht Häuser in England, Frankreich, Holland, Belgien und Deutschland verteilt hatte. Seiner Meinung nach sollte ein Gentleman von jedem Buch drei Ausgaben besitzen – eine zum Herzeigen, eine zum Lesen und eine zum Verleihen.
    Dibdin, der den maßlosesten aller Bibliomanen unbedingt persönlich kennenlernen wollte, konnte erst nach Hebers Tod dessen letzte Zuflucht in Pimlico betreten: »Ich sah mich staunend um. Nie zuvor hatte ich Zimmer, Regale, Durchgänge und Korridore gesehen, die derart mit Büchern vollgestopft waren und regelrecht an ihnen erstickten. Es gab doppelte, dreifache Reihen von Büchern. Hunderte dünner Quartbände – mehrere übereinander – waren längs auf schmalen, untersetzten Duodezimos gestapelt und erstreckten sich |106| von einem Ende des Regals zum anderen. Die Bücherstapel reichten bis zur Decke, und der Fußboden war mit zahlreichen losen Bücherhaufen übersät. Als ich all dies sah und mir dabei die anderen Häuser in Hodnet und auf dem Festland vorstellte, konnte ich meine Gefühle kaum in Worte fassen.« Zwischen all diesen Büchern, in demselben Zimmer, in dem er einst auf die Welt kam, war Richard Heber glücklich gestorben.

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    |107| Die unsichtbare Sammlung
    Bücher haben manche ins Wissen,
manche in den Wahnsinn geführt.

    Francesco Petrarca
    Es gibt tausenderlei Arten, der Bücherliebe zu frönen. Und es spricht einiges dafür, die bibliophile Neigung auf das zu konzentrieren, was wirklich selten und kostbar ist. Denn dann braucht man nicht mehr als eine kleine Kammer oder einfach nur ausreichend Phantasie. Man kann schließlich auch Bücher sammeln, die nicht existieren, oder solche, die so wenige Seiten umfassen, dass man eine Vielzahl wundervoller Werke in der Jackentasche unterbringen könnte.
    Eine imaginäre Bibliothek mit imaginären Büchern zu füllen ist zudem eine durchaus lohnende Aufgabe für jeden Bibliophilen, dem die Mittel für den Kauf realer Bücher fehlen, der nicht die Skrupellosigkeit eines Bücherdiebs besitzt und dem auch keine Häuser zur Verfügung stehen, die er vom Keller bis zur Dachstube mit seinen papierenen Freunden vollstopfen könnte. Doch muss die unsichtbare Sammlung, die nur im fiebrigen Hirn eines mittellosen Büchernarren existiert, nicht nur aus gestaltlosen Papiergespenstern bestehen, sie könnte sich auch auf jene Schriftsteller konzentrieren, die kaum Spuren in der Welt der Literatur hinterlassen |108| und keine Anerkennung gefunden haben – all die namenlosen Poeten und unbekannten Schreiberlinge, die vergeblich gegen ihre Bedeutungslosigkeit ankämpften und in der unlesbaren Dunkelheit des Vergessens verschwanden.
    Ein keinesfalls untalentierter Autor, der tapfer nach wahrer Größe strebte und dabei dennoch tatenlos blieb, war Branwell Brontë, einziger Sohn des verwitweten Landpfarrers Patrick Brontë aus Haworth. Während seine eifrigen Schwestern Emily, Anne und Charlotte inmitten der einsamen und wilden Moorlandschaft Yorkshires ihre weltberühmten Meisterwerke »Sturm höhe « und »Jane Eyre« schufen und unter männlichem Pseudonym veröffentlichten, versuchte sich Branwell in der Rolle des verkannten Genies. Er belästigte die Verlagswelt mit teils hoffnungsvollen, teils verzweifelten, mal bescheidenen und mal unverschämten Schreiben, in denen er literarische Projekte ankündigte, die nie über grobe Entwürfe hinauskamen. Das wenige, was von ihm veröffentlicht wurde, erschien in einem schmalen Gedichtband, der von den Geschwistern gemeinsam verfasst worden war und von dem immerhin zwei Exemplare verkauft wurden. Postum wurden einige ebenfalls gemeinsam mit den Schwestern ersonnene Phantasien über die unwirklichen Königreiche von Angria und Gondal publiziert. Sein kurzes Leben in der englischen Provinz bestand aus einer Serie halbherziger Versuche, in der Wirklichkeit Fuß zu fassen. Seine Künstlerkarriere als Porträtmaler blieb erfolglos, seine Anstellung als Hauslehrer wurde nach kurzer Zeit gekündigt, |109| da er sich in die vollkommen überspannte Idee verrannt hatte, die Dame des Hauses sei in ihn verliebt. Immerhin hatte er eine gewisse Begabung darin, sich einen schlechten Ruf zu verschaffen, indem er das Geld, das er nicht besaß, beim Kartenspiel verlor und im Wirtshaus versoff. Um bei namhaften Verlegern Neugier für seine ambitionierten Pläne zu wecken, fehlte es ihm gewiss nicht an literarischem Talent, mitreißenden Ideen und Arbeitseifer, sondern an einer viel wichtigeren

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