Das Haus des Buecherdiebs
Scientification Club«, der natürlich auch weiblichen Mitgliedern offenstand – doch waren Mädchen, die seine literarischen Vorlieben teilten, »seltener als Einhornshörner«, wie er später einräumte. Als Forrest Ackerman 1939 die erste Science-Fiction-World-Convention in New York besuchte, ein Zusammentreffen von Autoren und Lesern aus aller Welt, begleitete ihn allerdings seine Freundin Myrtle. Die beiden promenierten in selbstgebastelten Weltraumanzügen durch die Straßen – zur Freude der Kinder, die ihnen die Namen ihrer Comic-Helden nachriefen: Flash Gordon! Buck Rogers!
|116| Jahrzehnte später, in den 1980ern, schickte der Bürgermeister von Los Angeles vier Bibliothekare in Ackermans Haus, um den Umfang der Sammlung zu prüfen, die zu einem staatlich geförderten Museum werden sollte – sie zählten vierzigtausend Bände. Inzwischen war der kleine Science-Fiction-Leser zum weltweit führenden Experten geworden. Er arbeitete als Agent für rund zweihundert Schriftsteller, darunter Ray Bradbury und Isaac Asimov, und gab nebenbei die Zeitschrift »Fa mous Monsters of Filmland« heraus, die neben Filmkritiken auch filmhistorische Artikel und seltene Fotos veröffentlichte. Da er in Hollywood lebte und mit zahlreichen Regisseuren befreundet war, bekam er gelegentlich kleine Gastrollen in Gruselfilmen – so ist er auch in Michael Jacksons Musikvideo »Thriller« und in dem unvergessenen Klassiker »Schlock – Das Bananenmonster« zu sehen. Das Geld, das er verdiente, steckte er zum Großteil in seine Sammlung, die bald aus allen Nähten platzte. »Ich habe ein Haus mit achtzehn Zimmern«, erzählte er während eines Berlin-Besuchs im Jahr 1990, »dazu drei Garagen, in denen ich theoretisch Autos parken könnte, aber sie sind voll mit Science-Fiction. Vorher hatte ich ein Haus mit dreizehn Zimmern, und zum Schluss hatte ich es einschließlich des Kühlschranks vollgestopft. Jetzt reichen auch die achtzehn Zimmer nicht mehr aus. Ich habe ein sehr großes Zimmer, als ich damals einzog, war es völlig leer, nur vier kahle Wände. Jetzt muss man geradezu den Atem anhalten und seitwärtsgehen, um zwischen all den Büchern, Magazinen und Gemälden hindurchzukommen.«
|117| Das Haus voller Bücher wurde zum Stützpunkt der von Ackerman gegründeten »Fantasy Foundation«, die sich dem Erhalt aller Arten von Publikationen, Kuriositäten und Devotionalien aus dem grenzenlosen Reich der Science-Fiction und Fantasy widmete. Jeden Samstagvormittag führte er die Besucher durch seine Sammlung, zeigte stolz den Ring, den Bela Lugosi in »Dra cula « trug, das Kostüm des Kiemenmenschen aus »Der Schrecken vom Amazonas«, das nach den Dreharbeiten zu diesem liebenswerten Monsterfilm auf dem Müll gelandet war, und den hässlichen Schädel des Mutanten aus »Metaluna IV antwortet nicht«. Natürlich präsentierte er auch die alten Pulp-Magazine, mit denen seine Sammlung ihren Anfang genommen hatte: 279 Ausgaben der zwischen 1923 und 1954 erschienenen Zeitschrift »Weird Tales«, in der Howard P. Lovecraft und Robert E. Howard ihre ersten Gruselgeschichten veröffentlichten, 111 Ausgaben der zwischen 1936 und 1955 erschienenen »Thrilling Wonder Stories«, die auch die erste Erzählung von Ray Bradbury enthielten, 500 Ausgaben der »Amazing Stories«, die unter verschiedenen Herausgebern bis zum Ende des 20. Jahrhunderts Science-Fiction- und Fantasygeschichten publizierten – und dies sind nur drei von Hunderten Magazinen und Buchreihen.
Ackerman hatte auch einen Bezug zur deutschsprachigen Phantastik. Seine Frau hatte rund hundertfünfzig Science-Fiction-Romane aus dem Deutschen und Französischen übersetzt, und er pflegte zahlreiche Kontakte zu Lesern, Sammlern und Autoren in Europa. Auch |118| in Deutschland und Österreich gab es interessante Buchreihen und Magazine, die ihren Weg in Ackermans Museum fanden. Heute kennen freilich nur noch wenige solch kuriose Heftserien wie »Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff«, »Jan Mayen, der Herr der Atomkraft«, »Die Erotik der Weltraumfahrt« oder »Sun Koh«, die zuweilen durch nicht ganz freiwillige Komik glänzen: »Riesige Schätze, Macht, Hass und Liebe sind die Einsätze, aber hinter ihnen dämmert als wahres Ziel ein versunkener Erdteil, die sagenumwobene Atlantis. Wird sie schimmernd aus den rollenden Wogen des Ozeans wieder aufsteigen und wird Sun Koh, der Letzte der Atlanten[!], der sieghafte Erbe von Atlantis sein?«
Im November 2008 geisterte die
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