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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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und Wetter ausgesetzt waren, und solche, die in Altpapiertonnen geworfen wurden: Bücher, die Menschen gehörten, die nichts mit ihnen anzufangen wussten, weil zum Lesen angeblich keine Zeit war; Bücher, die in letzter Sekunde vor dem engstirnigen Eifer religiöser Fanatiker und politischer Ideologen gerettet wurden; Bücher von den Schreibtischen rotäugiger Zensoren, die darüber bestimmen wollten, welche Wahrheit gilt und welche Geschichte überleben darf; Bücher, die vor der Gier jener Sammler in Sicherheit gebracht wurden, die ihre wohlbehüteten Exemplare weder lesen noch verschenken wollten, sondern nur ihren materiellen Wert schätzten; Bücher, die als unverkäuflich, unlesbar, obskur und uninteressant beschimpft wurden – und jene Jammergestalten aus vergilbtem Papier, die jahrelang in der dunklen Ecke des obersten Regals einer Buchhandlung oder eines Antiquariats vergeblich auf einen geneigten Leser warteten.
    All diesen verachteten, misshandelten und verlorenen Bücherseelen würde ich meine Aufmerksamkeit schenken und ihnen den verdienten Respekt erweisen. Ich würde gut für sie sorgen und ihnen ein behagliches Zuhause in einer weiträumigen Bibliothek geben. Jedes einzelne Buch würde ich neugierig in die Hand nehmen |174| und sorgfältig studieren, um ihm dann den Platz einzuräumen, der seinem innersten Kern und wahren Wesen entspricht. Es wäre eine selbstlose Art der Bücherliebe, die nichts gemein hätte mit dem Bibliomanen und seinem unstillbaren Verlangen, zu besitzen, zu vereinnahmen und eifersüchtig zu horten. Es ginge allein darum, das Schöne, das in jedem Buch enthalten ist, zu erkennen und zu bewahren. Denn wer die Schönheit
eines
Buches erkannt hat, wird sie auch in allen anderen Büchern erkennen.
    Doch ist dies nur ein Gedankenspiel. Mir ist durchaus bewusst, dass Bücher ebenso vergänglich sind wie unsere Träume. Irgendwann wird vielleicht sogar Shakespeares schönstes Sonett vergessen sein, man wird sich nicht mehr daran erinnern, was Diotima zu Sokrates sagte und was Sei Shonagon ihrem Kopfkissen anvertraute. Beatrice, Werther, Ishmael und Bernardo Soares werden nur noch gewöhnliche Namen sein, die kein Echo hervorrufen. Wird überhaupt etwas bleiben von all den Büchern, die einst ganze Häuser vom Keller bis zum Dach füllten und die unsere Seelen mit unendlich vielfältigen Eindrücken, Empfindungen und Eingebungen bannten?
    Vielleicht nicht – aber was bedeutet das schon angesichts des wiederkehrenden Glücks, das wir fühlen, wann immer wir das Buch, das wir am meisten lieben, aus dem Regal nehmen, es sachte von seinem Staub befreien, zärtlich über seine zerlesenen Seiten streichen, die schönste Stelle aufschlagen, die uns je bezauberte, und am Duft des alten Papiers erkennen, dass wir zu Hause sind.

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    |175| Literaturverzeichnis
    Befreie uns, oh Herr, von dieser ganzen Literatur!

    André Gide

    Ackroyd, Peter:
William Blake
. München 2001.
    Al-Bīrūnī:
In den Gärten der Wissenschaft
. Leipzig 1988 .
    Altenberg, Peter:
Das große Peter Altenberg Buch
. Wien 1977 .
    ders.:
Die Selbstfindung eines Dichters. Briefe und Dokumente 1892 bis 1896.
Göttingen 2009 .
    Altomonte, Antonio:
Dante
. Reinbek bei Hamburg 1994.

    Bacon, Francis:
Essays
. Leipzig 1979.
    Basbanes, Nicholas A.:
A Gentle Madness. Bibliophiles, Bibliomanes, and the Eternal Passion for Books
. New York 1999 .
    Battles, Matthew:
Die Welt der Bücher. Eine Geschichte der Bibliothek.
Düsseldorf 2003 .
    Beach, Sylvia:
Shakespeare and Company. Ein Buchladen in Paris
. Frankfurt/ M. 1996 .
    Bell, Quentin:
Virginia Woolf
. Frankfurt/ M. 1995.
    Benjamin, Walter: »Ich packe meine Bibliothek aus.« In ders.:
Denkbilder
. Frankfurt/M. 1980.
    Bibesco, Marthe Princesse:
Begegnungen mit Marcel Proust
. Frankfurt/ M. 1991 .
    Blake, William:
Zwischen Feuer und Feuer
. München 1996.
    Borges, Jorge Luis:
Die letzte Reise des Odysseus. Essays
. München 1987 .
    Boswell, James:
Dr. Samuel Johnson
. Zürich 1981.
    |176| Bulwer-Lytton, Edward:
Kenelm Chillingly
. Butjadingen 2009.
    Burton, Richard F.:
A Plain and Literal Translation of the Arabian Nights’ Entertainments, Now Entituled the Book of the Thousand Nights and One Night
. Benares (Stoke Newington) 1885 .

    Cellini, Benvenuto:
Mein Leben
. Zürich 2000.
    Cendrars, Blaise:
Auf allen Meeren
. Basel 1998.
    Cervantes Saavedra, Miguel de:
Die Mühen und Leiden des Persiles und der Sigismunda
. Sämtliche Werke, Band I.

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