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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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geringem Risiko weiter. Allerdings hat er aus historischer Perspektive kaum Schaden angerichtet. Seine Privatbibliothek, die 40 000 Bände umfasste, wurde nach seinem Tod vom Papst erworben und in die Bibliotheca Angelica des Augustinerordens eingegliedert.
    Heute müssen Bücherdiebe – wenn sie nicht gerade Bibliotheksdirektoren sind – etwas mehr Aufwand betreiben, um die verschiedenen elektronischen Sicherheitssysteme zu überlisten. Wirklich aufhalten kann |167| man sie offenbar nicht, wie der Fall Sebastian L. beweist, der im September 2007 aktenkundig wurde. Herr L. war ein älterer Herr, der sich für amerikanische Geschichte, Präsidentenbiographien und bedeutende Persönlichkeiten interessierte. Er verbrachte täglich Stunden in der Bibliothek des John-F.-Kennedy-Instituts in Berlin, um die Vornamen amerikanischer Abgeordneter zu recherchieren. Wofür er dieses Wissen benötigte, ist gänzlich unbekannt, offenbar hatte er jedoch nicht die Absicht, ein Buch zu schreiben. Er sammelte lediglich Informationen.
    Sebastian L. wurde schließlich bei einem Diebstahl ertappt. Als die Polizei seine Wohnung durchsuchte, fand man mehr als 1000 gestohlene Bücher, in denen sorgfältig Ort und Datum des jeweiligen Raubes eingetragen waren. Die Bücher stammten aus Amerika-Häusern und Universitätsbibliotheken in Essen, Köln, Duisburg und Bochum. Sie wurden umgehend an ihre ursprünglichen Besitzer zurückgegeben – soweit sie überhaupt noch benutzbar waren. Denn der Dieb hatte die entwendeten Bände so sorgfältig durchgearbeitet, dass sie wegen starker Gebrauchsspuren für den Bibliotheksbetrieb unbrauchbar geworden waren. Seine Motive bleiben rätselhaft, und der Schaden, den er angerichtet hat, ist gering, wenn man ihn mit dem spektakulärsten Raubzug vergleicht, den je ein Bücherdieb zustande brachte.
    1991 wurde in Amerika ein Mann zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt, der rund 23 600 Bücher gestohlen hatte. Stephen Blumberg reiste jahrelang kreuz und |168| quer durch die Vereinigten Staaten und entwendete gezielt ausgewählte Bände aus 268 Bibliotheken. Nicht, um die teils überaus wertvollen Exemplare zu verschachern, sondern um eine eigene Bibliothek zur Geschichte Amerikas aufzubauen. Oft machte er sich die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen zunutze und steckte das gewünschte Buch einfach in die Geheimtaschen seines übergroßen Mantels. Gelegentlich brach er nachts in die Bibliotheksgebäude ein und beschaffte sich auf diese Weise Schlüsselkopien. Er hatte stets Sandpapier und Rasiermesser in der Tasche, um die Bibliotheksstempel, Beschriftungen und Magnetstreifen entfernen und die Bücher hinausschmuggeln oder als eigene Exemplare ausgeben zu können. Die reichen Erträge seiner Expeditionen brachte er in ein abgelegenes Haus in Iowa, das er eigens gekauft hatte, um darin seine systematisch geordnete Privatbibliothek unterzubringen. Er hätte seine Raubzüge, die sich über einen Zeitraum von 25 Jahren erstreckten, wohl endlos fortgesetzt, wenn ihn ein Bekannter, der ihn bei technisch aufwendigen Einbrüchen unterstützte, nicht an das FBI verraten hätte.
    War Blumberg ein gewöhnlicher Verbrecher? Einiges spricht dafür, dass er psychische Probleme hatte, die ihn seit seiner Jugend zu einem Außenseiter machten. Seine Mutter wurde mehrfach in psychiatrische Kliniken eingewiesen, sein Vater, ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, litt unter einem Kriegstrauma. Der kleine Stephen wuchs ohne Geschwister und Freunde auf und vertrieb sich die Zeit damit, leer stehende Häuser zu erkunden und Trödel wie alte Türklinken zu sammeln. Sein wachsendes |169| Interesse an viktorianischer Architektur brachte ihn irgendwann auf die Idee, in Antiquariaten nach Büchern zu diesem Thema zu stöbern. Vielleicht liegt hier der Ursprung seiner Besessenheit, doch weiß man nicht, warum er die von ihm gesuchte Literatur unbedingt stehlen musste. Er hätte sich die Bücher auch auf legalem Weg beschaffen können, da er seit seinem Schulabschluss im Jahr 1968 eine beträchtliche Rente von seiner Familie bezog, die ihm ein sorgenfreies Leben ermöglichte. In einem ausführlichen Interview mit dem Kulturwissenschaftler Nicholas Basbanes erklärte Blumberg, er habe die Bücher anfangs nur entwendet, weil es so einfach war und die Lücken in den Bibliotheksregalen niemanden zu kümmern schienen. Dass er so lange damit durchkam, zeigt zumindest, wie achtlos manche Bibliotheken mit ihren wertvollen Beständen umgehen.

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