Das Haus des Buecherdiebs
beschützen könnte. Sohn und Tochter machten sich nichts aus Büchern und wollten den ganzen »Krem pel « möglichst rasch versteigern lassen. Der Meistbietende |34| würde den Zuschlag bekommen, gleich ob Franzose, Engländer oder Eskimo.
So starb der stets kränkliche Charles Chadenat einsam und verbittert, ohne sich mit seinen Nachkommen versöhnt und einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben, im Jahr 1938. Nach seinem Tod wurde der Bestand seines Antiquariats tatsächlich versteigert. Doch dauerte es sehr lange, bis die gewaltige Sammlung geordnet und katalogisiert war, und die Auktion zog sich über Jahre hin. 1947 meldete die Zeitung
Le Figaro
: »Die Chadenat-Bibliothek ist im Begriff, zu einer Legende zu werden. Ist sie endlich erschöpft? Wird sie es jemals sein? Jedenfalls ist es das vierte Jahr, dass sie verkauft wird, doch sie scheint unversiegbar zu sein. Vorige Woche hat Maître Étienne Ader mit seinem üblichen Elan den elften Teil veräußert, und es handelte sich dabei wiederum um dreihundert Bände geographischer Werke und Reisebeschreibungen, keine Luxusausgaben, aber unauffindbar, Beschreibungen von sehr alten Forschungsreisen in unbekannten Ländern, die die Bouquinisten in Entzücken versetzt haben.« Ein Teil der Sammlung, Werke, die sich mit der Entdeckungsgeschichte Kanadas beschäftigen, befindet sich heute in der Universitätsbibliothek von Harvard. Ob jemand von der traditionsreichen Londoner Buchhandlung Maggs Brothers bei den Auktionen anwesend war, ist nicht bekannt, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass die eine oder andere Kostbarkeit aus den verstaubten Regalen des Charles Chadenat trotz aller bitteren Feindschaft ihren Weg nach England gefunden hat.
|35| Wie jede Leidenschaft birgt auch die Bücherliebe die Gefahr der Enttäuschung und Eifersucht in sich. So zerfiel das Reich des »Königs der Buchhändler«, wie ihn seine Stammkunden und Bewunderer nannten, seine Schätze wurden in alle Winde zerstreut, doch sein mürrischer Schatten brütet wohl immer noch im staubigen Winkel eines heruntergekommenen Antiquariats über befremdlichen Theorien.
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|36| Die Verbrechen des Don Vincente
Hob er den Kopf: Bücher!
Senkte er ihn: Bücher!
Rechts, links: Bücher, nur Bücher!
Gustave Flaubert
Buchhändler und Antiquare sind in der Regel friedfertige Gesellen. Zumindest dem Anschein nach. Das Betreten einer Buchhandlung gilt daher als ungefährlich und der dort lauernde Verkäufer als vollkommen harmlos. Ein fataler Irrtum.
Don Vincente, ein hagerer Mönch, der wegen seines spärlichen Haarwuchses und seiner abgezehrten Gesichtszüge sehr viel älter wirkte, als er tatsächlich war, arbeitete als Bibliothekar in dem Zisterzienserkloster Poblet in der Nähe von Tarragona, im Nordosten Spaniens. Die gutbestückte Klosterbibliothek war das Geschenk eines der letzten Könige von Aragonien. Der prachtvolle Saal mit den hohen gotischen Fenstern, den Eichenregalen und Lesepulten lockte Wissbegierige und Gelehrte aus der ganzen Welt. Eines Nachts wurde das Kloster von Einbrechern heimgesucht, die es auf die unzähligen Kunstschätze und seltenen Bücher abgesehen hatten, aber nur beschränkte Vorstellungen davon besaßen, was wirklich wertvoll war und was eher unbedeutend. Don Vincente, der sich zu später Stunde noch im Lesesaal herumtrieb, um ein wenig an alten Pergamenten |37| zu schnuppern und zärtlich über den Maroquinledereinband einer seltenen Sammlung von Heiligenlegenden zu streichen, ertappte die Gauner oder wurde vielmehr von ihnen ertappt und mit dem Tod bedroht. Sollte er Alarm schlagen? Zitternd verriet er seinen Orden und seinen Glauben. Als er gewahr wurde, dass er es mit hilflosen Tölpeln zu tun hatte, beschloss er, die gefährliche Situation für sich zu nutzen. Der Bibliothekar, der sich in den Schatzkammern bestens auskannte, verbündete sich mit den Plünderern. Er zeigte ihnen angeblich unersetzliche Exemplare, die eigentlich wertlos waren, und bediente sich skrupellos bei den echten Prunkstücken. Mit einem Sack voller Bücher floh Don Vincente in der Dunkelheit nach Barcelona. Dort wollte er ein neues Leben beginnen.
Einige Wochen später eröffnete der abtrünnige Mönch ein kleines Antiquariat. Er war ein seltsamer Kauz und lebte mehr schlecht als recht vom Verkauf von Ramsch und Tand. Die guten und schönen Bücher liebte er so sehr, dass er es kaum über sich brachte, sie aus den Händen zu geben. Erkundigte sich jemand nach dem Preis eines
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