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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bald darauf zurück, um das, was er gesehen hatte, in der ersten Fassung der Carceri zu verarbeiten. Er hatte Angst, auch das wissen wir, vor etwas, das er dort unten gesehen oder erlebt hat. Deshalb ist er danach nie mehr hinuntergestiegen.« Sie wandte sich an den Abt. »Ist es möglich, daß ihn damals Mönche dieses Klosters begleitet haben? Daß sie mit ihm dort unten waren und von etwas derart in Furcht versetzt wurden, daß sie beschlossen, das Tor zu versiegeln?«
    Bevor Dorian antworten konnte, sagte Jupiter: »Das würde bedeuten, daß hier das gleiche passiert ist wie im Vatikan! Dort hat man versucht, das Portal durch den Bau einer gewaltigen Kathedrale zu versiegeln. Und hier …«
    Coralina führte den Gedanken für ihn zu Ende: »Hier waren es nur ein paar arme Mönche, die nichts besaßen … außer den Gebeinen ihrer toten Brüder. Sie errichteten die Knochengruft über dem Tor als Schutz vor dem, was dahinter war … oder immer noch dahinter ist.«
    Der Abt starrte sie entgeistert an. »Die Gruft als Siegel«, flüsterte er. »Es wäre tatsächlich eine Möglichkeit. Nigromantie gegen den Zauber des Tors.«
    »Nigromantie?« fragte Coralina.
    »Christliche Magie«, erklärte Jupiter knapp. »Im Mittelalter soll es Magier gegeben haben, die im Auftrag der Kirche arbeiteten, sogenannte Nigromanten.«
    Coralina atmete tief durch. »Ich denke, es ist an der Zeit, sich die Gruft genauer anzuschauen.«
    »Aber nach allem …«, entfuhr es dem Abt erregt, dann brach er atemlos ab und begann von neuem: »Ich meine … unter diesen Umständen können Sie das Tor doch nicht ernsthaft öffnen wollen!«
    »Wie Sie schon sagten«, antwortete Coralina, »irgendwer wird es irgendwann ohnehin tun.«
    Jupiter ergriff ihre Hand und drückte sie. Er sah Dorian an. »Werden Sie uns helfen?«
    Der Abt wandte sich ab und ging nachdenklich im Raum auf und ab. »Sie haben Remeos Leichnam nicht gesehen. Er war verbrannt, vor allem die Brust, die Oberarme und der Rücken … so als hätte ihn etwas Brennendes umarmt! Er hat dort unten etwas Entsetzliches erlebt, vielleicht das gleiche wie Piranesi und die Mönche, falls wirklich welche mit ihm gegangen sind.«
    »Aber Piranesi ist zurückgekehrt«, sagte Coralina. »Er hat überlebt und in seinen Stichen sogar dokumentiert, was er gesehen hat.«
    Ihre letzten Worte waren reine Spekulation. Niemand wußte, ob die Carceri tatsächlich ein Abbild dessen waren, was sie im Haus des Daedalus erwartete. »Wenn Piranesi es geschafft hat, können wir es auch«, fügte sie hinzu.
    »Aber Remeo …«
    »Wir versuchen es«, unterbrach Jupiter den Abt. »Wenn Sie uns fortschicken, werden wir wiederkommen.« Er wollte dem Abt nicht drohen, aber er wußte, daß ihm keine andere Wahl blieb: »Sie wollen doch nicht, daß etwas davon an die Öffentlichkeit dringt, oder?«
    Dorian war zu verwirrt, um zornig zu werden. Er ging noch eine Weile schweigend im Arbeitszimmer auf und ab, dann trat er wieder ans Fenster und starrte auf den toten Baum im Hof.
    »Wie Sie wollen«, sagte er. »Es ist Ihre Entscheidung.«
    Als sie sich dem Eingang zur Gruft näherten, hatte Dorian die Gewölbe bereits räumen lassen. Eine Handvoll ungehaltener Touristen ging gerade die Treppe zur Via Veneto hinunter und schimpfte über die Willkür der Mönche.
    Die Gruft befand sich in einem Anbau der Kirche Santa Maria della Concezione. Hinter dem Eingang lag ein kleiner Vorraum, in dem die Kapuziner einen Verkaufsstand mit Andenken … Postkarten, Broschüren und kleine Dia-Heftchen … aufgebaut hatten. Mehrere Schilder wiesen die Besucher darauf hin, daß weder geraucht noch fotografiert werden durfte.
    Ein Mönch, bärtig wie alle Kapuziner, aber ohne die übliche Kutte, erwartete sie. Er hatte die Aufsicht über die Gruft. Dorian beugte sich an sein Ohr und flüsterte ihm einige Anweisungen zu. Der Mann schaute verwundert, nickte jedoch fügsam.
    Dorian führte Jupiter und Coralina aus dem Vorraum in einen schmalen Korridor. Der Mönch schloß hinter ihnen die Verbindungstür; er selbst blieb draußen. Die beiden waren wieder allein mit dem Abt.
    Jupiter trug einen schweren Handstrahler mit Ersatzbatterien, das einzige, was von der Ausrüstung Santinos und seiner Freunde übriggeblieben war. Er fragte sich, ob Remeo den Strahler noch in der Hand hielt, als er sich sterbend die Treppe hinaufgeschleppt hatte. Doch obwohl Jupiter bei diesem Gedanken schauderte, war er dankbar für die Lampe. Sie hatten beide in ihrer

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