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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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verschlingen
könnte!«
    »Hoffentlich hat
er nicht so schwere Pranken wie Ihr, Sir John«, murrte
Athelstan, schlug die Augen auf und hob müde den Kopf.
Cranston beugte sich zu ihm herunter. »Guten Morgen,
Mönch!«
    »Ich bin
Ordensbruder.«
    »Guten Morgen,
Ordensbruder. Und warum bist du nicht voller
Weihnachtsfreude?«
    »Weil ich
friere, Sir John, weil ich müde bin und völlig
erschöpft.« Athelstan wollte die Litanei seiner Leiden
fortsetzen, als er den Schelm sah, der wie kleine Teufel in
Cranstons Augen tanzte. »Aber es ist schön, Euch
glücklich zu sehen, Sir John. Ich nehme an, Ihr habt etwas zu
essen bestellt?«
    Cranston nickte,
riß sich den mächtigen Biberhut vom Kopf und ließ
sich gegenüber auf die Bank fallen.
    Sie hatten sich satt
gegessen, und Cranston hatte zwei Becher Rotwein vertilgt, bevor
Athelstan mit seinem Bericht fertig war. Der Coroner
schüttelte den Kopf, stellte ein paar Fragen und pfiff dann
leise.
    »In drei Teufels
Namen - bist du sicher, Bruder? So viel aus einer unschuldigen
kleinen Bemerkung von Lady Maude?«
    Athelstan zuckte die
Achseln. »Lady Maudes kleine Bemerkungen haben in den letzten
paar Tagen für eine Menge Bestürzung gesorgt, Sir
John.«
    Cranston rülpste,
stand auf und brüllte nach seinem Weinschlauch, und dabei warf
er dem Wirt ein paar Münzen hin. »Habt Ihr getan, worum
ich Euch gebeten hatte, Sir John?«
    »Ja, Bruder, das
habe ich.« Sir John streckte sich und gähnte.
»Alle unsere Verdächtigen warten im Tower; nur
Parchmeiner kommt später. Willst du zuerst Colebrooke
sehen?«
    »Und
Rothand?«
    »Ah ja,
Rothand.«
    »Ihr habt den
Haftbefehl, Sir John?«
    »Ich brauche
keinen verdammten Haftbefehl, Mönch! Ich bin Cranston, der
Coroner des Königs in dieser Stadt. Entweder sie beantworten
die Frage, oder sie werden die Folgen zu tragen
haben.«
    Die beiden
ließen die Pferde an der Schenke und wanderten durch ein paar Gassen
zum gähnenden Eingang des Tower. Colebrooke erwartete sie im
Torhaus. Athelstan sah, daß er Halsberge, Kettenhemd und
Beinschienen trug.
    »Ihr erwartet
Schwierigkeiten, Master Lieutenant?«
    »Sir Johns
Anweisungen waren ziemlich strikt«, antwortete
Colebrooke.
    »Wo ist
Rothand?«
    »Warum wollt Ihr
diesen verrückten Hund sehen?«
    »Weil ich es
befohlen habe«, antwortete Cranston.
    Sie überquerten
die Wiese; das kärgliche Gras schimmerte jetzt durch den
grauen Matsch. Zwei Soldaten trotteten hinter ihnen her. Colebrooke
schickte den einen zu einer kleinen Tür im Fuße des
White Tower. Athelstan schaute betrübt zu der Ecke hin, wo der
große Bär gesessen hatte. Die Stelle wirkte jetzt leer
und einsam, aber der Boden trug noch Spuren des Aufenthaltes, und
ein paar klägliche Essensreste lagen auf dem Kopfsteinpflaster
verstreut.
    »Gott schenke
der Seele des Bären die ewige Ruhe«, betete
Athelstan.
    Cranston drehte sich
um. »Haben Bären eine Seele, Bruder? Kommen sie in den
Himmel?«
    Athelstan grinste.
»Wenn Ihr im Himmel Bären braucht, Sir John, dann wird
es sie dort auch geben. Aber in Eurem Fall besteht der Himmel
vermutlich aus einer endlosen Reihe von Schenken und
geräumigen Ale-Stuben.«
    Cranston schlug sich
mit dem Handschuh auf den Schenkel. »Du gefällst mir,
Bruder!« Und er strahlte den überraschten Colebrooke
an.
    Plötzlich wurde
die Pforte des White Tower aufgestoßen, der Soldat kam hervor
und zerrte Rothand am Kragen hinter sich her.
    »Loslassen!« rief
Athelstan. Er lief zu dem Buckligen hinüber, hockte sich vor
ihn und ergriff seine Hand. Er schaute in die eisblauen Augen des Narren und sah
die Tränen auf den fleckigen Wangen. »Du trauerst um den
Bären, Rothand?«
    »Ja. Rothands
Freund ist fort.«
    Athelstan bedeutete
dem Soldaten, er solle verschwinden. »Ich weiß,
Rothand«, flüsterte er dann. »Der Bär war ein
prachtvolles Tier. Aber er ist jetzt glücklich. Sein Geist ist
frei.«
    Rothand sah Athelstan
mit wäßrigen Augen an und lächelte. »Bist du
Rothands Freund?«
    Athelstan betrachtete
das Gesicht des Buckligen, das schüttere weiße Haar und
die grotesken kunterbunten Lumpen. Er dachte an Pater Anselms weise
Worte: »Bedenke stets, Athelstan: Jeder Mensch ist Gottes
Ebenbild. In einem zerbrochenen Glas brennt die Flamme ebenso hell
wie in einer kunstvoll verzierten Lampe.«
    »Ich bin dein
Freund«, antwortete er. »Und ich brauche deine
Hilfe.«
    Rothands Blick wurde
wachsam.
    »Ich
möchte, daß du mir deine Geheimnisse
zeigst.«
    »Was für
Geheimnisse,

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