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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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antwortete er.
»Aber hast du nicht etwas vergessen, Bruder? Wir haben
Advent. Da soll man sich des Fleisches enthalten.«
    Athelstan schaute
sehnsüchtig auf die halbverzehrte Pastete; dann grinste er,
aß sie auf und leckte sich die Finger ab. Cranston
schüttelte den Kopf.
    »Was soll aus
uns werden?« klagte er scherzhaft. »Wenn schon die
Ordensbrüder das Kirchenrecht ignorieren?«
    Athelstan beugte sich
vor.
    »Ihr irrt Euch,
Sir John. Heute ist der dreizehnte Dezember, ein heiliger Tag: das
Fest der heiligen Lucia, Jungfrau und Märtyrerin. Also darf
ich Fleisch essen.« Er machte ein Kreuzzeichen in die Luft.
»Und Ihr dürft doppelt soviel Rotwein trinken wie
sonst.« Der Ordensbruder raffle die Zügel seines
Pferdes. »Also, Sir John - was führt uns in den
Tower?«
    Cranston trieb sein
Pferd zur Seite, als ein breiträdriger Karren, mit sauren
grünen Äpfeln beladen, vorüberrumpelte.
    »Sir Ralph
Witton, der Konstabler des Tower. Du hast von ihm
gehört?«
    Athelstan nickte.
»Wer nicht? Er ist ein grausamer Soldat, ein tapferer
Kreuzritter und ein persönlicher Freund des Regenten, John von
Gaunt.«
    »Er war
es«, verbesserte Cranston. »Heute früh wurde
Whitton in seinem Gemach in der nördlichen Bastion des Tower
gefunden. Seine Kehle war von einem Ohr zum anderen
durchgeschnitten, und auf der Brust war mehr Blut als bei einem
abgestochenen Schwein.«
    »Irgendeine Spur
vom Mörder oder der Waffe?«
    Cranston
schüttelte den Kopf und blies sich auf die blaugefrorenen
Finger. »Nichts«, knirschte er. »Whitton hatte
eine Tochter. Philippa. Sie ist verlobt mit Geoffrey Parchmeiner.
Anscheinend mochte Sir Ralph den jungen Mann und vertraute ihm.
Heute morgen wollte Geoffrey seinen künftigen Schwiegervater
wecken und fand ihn ermordet.« Er holte tief Luft. »Und
was noch merkwürdiger ist: Sir Ralph vermutete, daß
jemand ihm ans Leben wollte. Vier Tage vor seinem Tod bekam er eine
schriftliche Warnung.«
    »Was stand
darin?«
    »Das weiß
ich nicht, aber anscheinend bekam der Konstabler es mit der Angst
zu tun. Er verließ seine gewohnten Gemächer im Turm des
White Tower und zog aus Sicherheitsgründen in die Nordbastion.
Die Treppe zu seiner Kammer wurde von zwei Gefolgsleuten seines
Vertrauens bewacht. Die Tür zwischen Treppe und dem Gang war
abgeschlossen. Sir Ralph hatte den einen Schlüssel, die Wachen
den anderen. Für Sir Ralphs Kammer gilt das gleiche. Er hatte
sie von innen verschlossen, und die beiden Wachposten hatten den
anderen Schlüssel.« Cranston lehnte sich plötzlich
herüber, packte Philomels Zaumzeug und riß das Pferd zur
Seite. Im selben Augenblick rutschte ein dicker Schneeklumpen vom
Dach und krachte auf das Eis. »Wir sollten machen, daß
wir weiterkommen«, bemerkte der Ordensbruder trocken.
»Sonst habt Ihr vielleicht noch einen Toten am Halse, Sir
John, und dann seid Ihr der Verdächtige.«
    Cranston rülpste
und nahm einen großen Schluck aus seinem
Weinschlauch.
    »Steht der junge
Geoffrey unter Verdacht?« erkundigte sich
Athelstan.
    Cranston
schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Beide Türen
waren noch abgeschlossen; die Wachen schlossen eine auf,
ließen ihn durch und schlossen hinter ihm wieder zu.
Anscheinend ging Geoffrey den Gang hinunter zu Sir Ralphs Tür,
klopfte an und versuchte, ihn zu wecken. Das gelang ihm nicht, und
er holte die Wachen, die ihm aufschlossen. Sie fanden den
Konstabler mit durchgeschnittener Kehle auf dem Bett, und die
Holzläden vor dem Fenster standen weit offen.« Cranston
räusperte sich, und dann wandte er sich ab und spuckte aus.
»Noch etwas: Die Wachen haben niemanden ohne rigorose
Leibesvisitation vorbeigelassen, auch nicht den jungen Geoffrey.
Man fand keinen Dolch bei ihm, und auch in der Kammer war kein
Messer.«
    »Wovor hatte Sir
Ralph solche Angst?«
    Cranston
schüttelte den Kopf. »Das weiß der Himmel. Aber es
gibt eine ordentliche Ansammlung von Verdächtigen. Sein
Vertreter, Gilbert Colebrooke, stand mit ihm auf Kriegsfuß
und wollte seinen Posten haben. Dann ist da der Kaplan, William
Hammond, den Sir Ralph dabei ertappt hat, wie er Lebensmittel aus
den Vorräten des Tower verkaufte. Zwei Freunde von Sir Ralph,
Hospitaliterritter, waren wie üblich gekommen, um das
Weihnachtsfest mit ihm zu verbringen. Und dann ist da noch ein
Heide, ein stummer Diener, ein Sarazene, den Sir Ralph vom Kreuzzug
aus Outremer mitgebracht hat.« 
    Athelstan zog sich die
Kapuze tiefer ins Gesicht, denn der kalte Wind biß ihm in

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