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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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»Der alte
Rothand ist nicht so blöd, wie er aussieht.« Schmierige
Klauenfinger streckten sich Athelstan entgegen. »Rothand kann
dein Freund sein. Er hat seinen Preis.«
    Athelstan
schnürte seinen Beutel auf und legte dem Verrückten zwei
Münzen in die Hand. »Da«, sagte er leise.
»Jetzt kannst du Sir Johns Freund sein und der
meine.«
    »Was weißt
du denn?« fragte Cranston.
    Der Albino hüpfte
auf und ab. »Sir Ralph ist tot. Hingerichtet vom Finger
Gottes. Die dunklen Schatten sind hier. Die Vergangenheit eines
Mannes ist immer um ihn. Sir Ralph hätte daran denken
sollen.« Wütend starrte er den Lieutenant an. »Und
andere sollten das auch tun! Andere auch! Aber Rothand hat zu tun.
Rothand muß gehen.«
    »Lord Coroner,
Bruder Athelstan«, unterbrach Colebrooke, »Sir Ralphs
Leichnam wartet.«
    »Blut und
Schleim anschauen, wie?« krähte Rothand und hüpfte
auf und ab. »Ein böser Mann, Sir Ralph. Er hat verdient,
was er gekriegt hat!«
    Der Lieutenant trat
nach ihm, aber Rothand wieselte davon, kreischend und
lachend.
    »Wer ist
das?« fragte Athelstan leise.
    »Er war
früher Maurer hier. Seine Familie kam vor vielen Jahren bei
einem Unfall ums Leben.«
    »Und Sir Ralph
hat ihn hierbleiben lassen?«
    »Sir Ralph war
sein Anblick verhaßt. Aber er konnte wenig machen. Rothand
ist ein königlicher Günstling. Er war Maurermeister beim
alten König, bekommt eine Rente und hat Wohnrecht hier im
Tower.«
    »Und warum
Rothand?«
    »Er wohnt in den
Kerkergewölben und schrubbt die Folterinstrumente und den
Richtblock nach der Exekution.«
    Athelstan schauderte
es; er zog den Mantel fester um die Schultern. Wahrlich, dachte er,
dies war das Tal der Schatten, ein Ort der Gewalt und des
plötzlichen Todes. Der Lieutenant wollte weitergehen, aber
Cranston hielt ihn am Arm fest. »Wieso hat Rothand gesagt,
Sir Ralph sei ein böser Mann gewesen und habe bekommen, was er
verdiente?«
    Colebrooke wandte den
trüben Blick ab. »Sir Ralph war ein seltsamer
Mann«, sagte er leise. »Manchmal denke ich, in seiner
Seele lauerten Dämonen.«

3. Kapitel
    Athelstan und Cranston
folgten Colebrooke um Holzschuppen und Nebengebäude, durch
einen Torbogen in der inneren Festungsmauer und über einen
vereisten Platz zu einem riesigen Turm, der sich über den
Festungsgraben hinauswölbte. Der Lieutenant blieb
stehen.
    »Dort liegen
unterirdische Verliese, und darüber führen Stufen in eine
Kammer im Obergeschoß.« Er zuckte die Achseln.
»Dort ist Sir Ralph gestorben.«
    »Ermordet
worden«, korrigierte Cranston.
    »Gibt es noch
andere Räume?« fragte Athelstan.
    »Früher
mal, noch ein weiteres Stockwerk, aber die Tür dorthin wurde
zugeschüttet.«
    Athelstan schaute
hinauf zu den verschneiten Zinnen und seufzte.
    »Ein Turm des
Schweigens«, murmelte er. »Ein trostloser Ort zum
Sterben.«
    Sie stiegen die Treppe
hinauf. Drinnen hockten zwei Wächter auf Schemeln vor einem
Kohlebecken. Colebrooke nickte ihnen zu. Sie erkletterten eine
zweite, steile Treppe und drückten oben die halboffene
Tür auf. Ein dunkler, muffig riechender Gang erstreckte sich
vor ihnen. Leise vor sich hin fluchend, nahm Colebrooke etwas
Zunder von einem Steinsims, und bald darauf loderten die Fackeln in
den Wandhaltern. Sie betraten den kalten Korridor. Athelstan sah
einen Berg von Mauerbrocken, losen Ziegeln und Schieferplatten, der
den Zugang zum darüberliegenden Stockwerk verschloß.
Colebrooke probierte ein paar Schlüssel, die er unter seinem
Mantel hervorgezogen hatte; schließlich schloß er die
Tür auf und lud Cranston und Athelstan mit einer beinahe
spöttischen Gebärde ein
einzutreten.        
    Es war ein Raum mit
gewölbter Decke aus Stein. Der erste Eindruck war der eines
alles beherrschenden Graus. Keine Wandbehänge oder Teppiche an
den Wänden, nichts außer der hageren Gestalt eines
sterbenden Christus an einem schwarzen Holzkreuz. Mitten im Raum
stand ein großes vierpfostiges Bett, dessen schmutzige,
lohbraune Vorhänge fest geschlossen waren. Es gab einen Tisch
und ein paar Schemel, und drei oder vier Holzzapfen steckten neben
dem Bett in der Wand; ein Mantel, ein schweres Wams und ein
breiter, lederner Schwertgurt hingen noch daran. Auf der anderen
Seite des Bettes stand ein hölzernes Lavarium mit einer
riesigen Zinnschüssel und einem Krug, auf dem ein schmutziges
Tuch lag. Ein kleiner Kamin hätte ein wenig Wärme
gespendet, aber nur kalte, pulverige Asche lag darin. Ein
Kohlebecken voll halbverbrannter Holzkohle

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