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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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rundlich und erinnerte Athelstan an einen
übermästeten Kapaun. An ihrer Seite stand - oder besser:
schwankte - ihr Verlobter Geoffrey Parchmeiner. Sein Haar war
schwarz wie die Nacht und geölt und frisiert wie das einer
Frau. Er schien ein ganz angenehmer Bursche zu sein; seine
Gesichtszüge wirkten kraftvoll, auch wenn sein glattrasiertes
Gesicht leicht gerötet war vom blutroten Wein, den er in einem
tiefen Becher kreisen ließ. Ein heiterer Bursche, dachte
Athelstan, und belustigt schaute er auf Geoffreys enge Hose mit dem
vorgewölbten Hosenlatz. Unter einem sarazenischen Wams schaute
ein rüschenbesetztes Hemd hervor, und die Spitzen seiner
Schuhe waren so lang und dünn, daß sie mit einer roten
Kordel an der Wade festgebunden waren. Weiß Gott, wie der
sich auf Eis fortbewegt, dachte Athelstan. Er kannte diesen Typus:
ein junger Mann, der die Gecken des Hofes nachäffte. Als
Pergamenthändler mit einem Laden in Londons
Straßen würde Geoffrey Geld genug
haben, um sich aufzuführen wie ein Höfling.
    Die beiden
Hospitaliterritter, von denen Cranston gesprochen hatte, Sir
Gérard Mowbray und Sir Brian Fitzormonde, hätten
Brüder sein können. Beide trugen das graue Gewand ihres
Ordens. Auf den Mänteln prangten dicke, weiße Kreuze.
Athelstan kannte den furchterregenden Ruf dieser Mönchsritter
und war gelegentlich sogar als Beichtvater in ihrer Festung in
Clerkenwell gewesen. Gérard und Brian waren mittleren Alters
und, mit ihren sauber getrimmten Bärten, scharfen Augen und
kurzgeschorenen Haaren, Soldaten vom Scheitel bis zur Sohle. Sie
bewegten sich wie Katzen, Männer im Bewußtsein ihrer
Überlegenheit. Krieger, dachte Athelstan, Männer, die
töteten, wenn sie ihre Sache für gerecht
hielten.        
    Zwischen ihnen stand
ein dunkelhäutiger Mann von geschmeidiger Gestalt, dessen Haar
und Bart üppig eingeölt waren. Er trug blaue, weite Hosen
und über dem Wams einen Militärmantel. Seine Augen waren
ständig in Bewegung, und er beobachtete Cranston und
Athelstan, als wären sie Feinde. Der Coroner stellte ihm
barsch eine Frage, aber der Bursche starrte ihn nur wortlos an,
öffnete den Mund und deutete mit dem Finger. Athelstan wandte
den Blick mitleidig ab, als er das schwarze Loch sah, wo die Zunge
des Mannes hätte sitzen müssen. »Rastani ist
stumm«, sagte Philippa mit überraschend dunkler,
heiserer Stimme. »Er war Moslem, hat sich aber zu unserem
Glauben bekehrt. Er ist…« Sie biß sich auf die
Lippe. »Er war der Diener meines Vaters.« Ihre Augen
füllten sich mit Tränen, und sie klammerte sich an den
Arm ihres Verlobten, obwohl der junge Mann weniger sicher auf den
Beinen war als sie.
    Als alle einander
vorgestellt waren, rief Colebrooke nach weiteren Schemeln, und als
er den gierigen Blick sah, den Sir John auf den Becher des jungen
Mannes warf, ließ er auch noch heiße Milch mit Rotwein
bringen. Cranston und Athelstan setzten sich in die Mitte. Sir John zeigte
keine Hemmungen; er warf den Mantel zurück, streckte seine
stämmigen Beine von sich und genoß die Wärme des
Feuers. Seinen Becher hatte er in einem Zug geleert, ließ
sich nachschenken und schlürfte geräuschvoll. Er
schmatzte und ließ seinen Blick über die Runde wandern,
als seien alle seine engsten Busenfreunde. Athelstan sprach ein
stummes Gebet, während er sein Schreibtablett auf den Knien
ordnete: Mochte der Herr dafür sorgen, daß Cranston
nüchtern und wach blieb. Geoffrey kicherte, und die beiden
Ritter starrten den Coroner ungläubig an.
    »Ihr seid der
Coroner des Königs?« fragte Sir Fulke.
    »Ja, das ist
er«, schaltete Athelstan sich ein. »Und Sir John ist
nicht immer so, wie er zu sein scheint.«
    Cranston schmatzte
wieder.
    »Nein, nein, das
bin ich nicht«, knurrte er. »Und ich schätze, das
gilt auch für jeden anderen hier im Raum. Es gibt einen
nützlichen Spruch, den Ihr stets bedenken solltet: Ein jeder
aus dem Weibe geborene Mann ist dreierlei: Was er zu sein scheint,
was er zu sein behauptet, und« - strahlend blickte er in die
Runde - »was er in Wahrheit ist.« Lüstern grinste
er Philippa an. »Das gleiche gilt auch für das
schönere Geschlecht.« Plötzlich fiel ihm Maude ein,
und der Gedanke ernüchterte ihn schneller als ein Schwall
kalten Wassers. »Und das gleiche«, fuhr er unwirsch
fort, »gilt für den Mörder des Konstablers Sir
Ralph Whitton.«
    »Ihr
verdächtigt einen der Anwesenden?« fragte Sir Fulke;
jegliche Gleichgültigkeit war jetzt aus seinem

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