Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
brachte die beiden Soldaten auf die
Beine.
    »So ist es
besser«, schnurrte der Coroner sanft. »Und jetzt, ihr
Scheißkerle, beantwortet ihr die Fragen meines Schreibers,
und alles ist gut.« Er packte den einen bei der Schulter.
»Sonst könnte ich vielleicht auf die Idee kommen,
daß ihr mitten in der Nacht euren Herrn ermordet
habt.«
    »Das stimmt
nicht«, knirschte der Kerl. »Wir waren Sir Ralph treu
ergeben. Wir haben nichts gesehen und nichts gemerkt, bis dieser
Geck,« - der Posten zuckte die Achseln - »der
zukünftige Schwiegersohn des Konstablers, gerannt kommt und
behauptet, er kann Sir Ralph nicht wachkriegen. Er schnappt sich
den Schlüssel und will zurück, aber dann überlegt
sich’s der Feigling anders und stürzt zum
Lieutenant.«
    »Ihr habt ihn
klopfen und Sir Ralphs Namen rufen hören?« fragte
Athelstan.
    »Natürlich.«
    »Aber er ist
nicht in die Kammer gegangen?«
    »Der
Schlüssel war ja hier.« Der Soldat deutete auf einen
Holzzapfen in der Wand. »Er hing hier vor unseren Augen. Und
es gibt nur zwei. Einer war hier, und Sir Ralph hatte den
anderen.«
    »Dessen bist du
sicher?« sagte Cranston.
    »Ja,
klar«, bekräftigte der Bursche. »Den anderen
Schlüssel habe ich auf dem Tisch neben dem Bett des
Konstablers gefunden, nachdem ich aufgeschlossen hatte. Er ist
jetzt hier.« Cranston nickte. »Genug ist genug. Wir
wollen uns den Turm von außen ansehen.«
    Als sie die
Nordbastion verließen, drang plötzlich ein furchtbares
Getöse aus dem Innenhof. Sie folgten dem Lieutenant, der eilig
durch den Torbogen lief, und spähten über die verschneite
Wiese. Der Lärm kam aus einem Gebäude zwischen der
Großen Halle und dem White Tower. Erst konnte Athelstan nicht
erkennen, was los war. Er sah Leute hin und her rennen, und Hunde
sprangen kläffend im Schnee herum. Colebrooke atmete tief
durch und entspannte sich.
    »Ach, er
ist’s nur«, sagte er leise.
»Seht.«
    Athelstan und Cranston
sahen verblüfft einen großen, zottigen Braunbären
auf den Hinterbeinen stehen. Die Vorderpranken schlugen in die
Luft.
    »Bären habe
ich schon gesehen«, murmelte Cranston. »Rauhhaarige
kleine Biester, über die die Hunde herfielen. Aber etwas so
Majestätisches noch nie.«
    Der Bär
brüllte, und Athelstan sah den Eisenring um seinen Hals und
daran die schweren Ketten, die von Wärtern gehalten wurden.
Der verrückte Rothand führte das Tier durch den Innenhof
zu einem dicken Pfahl am hinteren Ende der Großen Halle, wo
es festgemacht wurde.
    »Der Bär
ist prachtvoll«, flüsterte Athelstan.
    »Ein
Geschenk«, erklärte der Lieutenant, »von einem
norwegischen Fürsten an den Großvater des jetzigen
Königs, Gott hab ihn selig. Er heißt Ursus
magnus.«
    »Aha!«
lächelte Athelstan. »Nach dem
Sternbild.«
    Colebrooke sah ihn
verständnislos an.
    »Die
Sterne«, beharrte Athelstan. »Ein Bild am
Himmel…« Colebrooke lächelte schmal und
führte sie zu einer Pforte in der äußeren
Festungsmauer. Er zog ein paar Riegel zurück, und die Angeln
kreischten protestierend, als er das massive Tor
öffnete.
    Durch diese Pforte ist
seit Monaten niemand gegangen, dachte Athelstan.
    Vorsichtig traten sie
auf den zugefrorenen Wassergraben. Die Stille und der dichte Nebel
ließen alles unwirklich erscheinen. »Das einzige Mal,
daß du je auf dem Wasser wandeln wirst, Priester«,
knurrte Cranston.
    Athelstan grinste.
»Ein seltsames Gefühl«, erwiderte er und sah
Colebrookes ernstes Gesicht. »Wozu dient dieses
Tor?«
    Der Lieutenant zuckte
die Achseln. »Es wird selten benutzt. Manchmal fährt ein
Spion oder ein geheimer Bote heimlich über den Graben, oder
jemand will den Tower unbemerkt verlassen. Jetzt« - er
klopfte mit dem Stiefel auf das dicke Eis - »spielt es keine
Rolle.«
    Athelstan sah sich um.
Hinter ihm ragte die mächtige Festungsmauer bis in die
schneebeladenen Wolken. Das andere Ufer des Wassergrabens lag im
dichten Nebel verborgen. Nichts regte sich. Ihr Atem und das
Scharren ihrer Stiefel auf dem Eis waren die einzigen
Geräusche. Sie setzten die Füße so behutsam und
vorsichtig voreinander, als könnte das Eis jederzeit brechen
und das Wasser wieder zum Vorschein kommen. An der steilen Mauer
entlang gingen sie um die Nordbastion herum.
    »Wo sind diese
Trittkerben?« fragte Cranston.
    Colebrooke winkte sie
weiter und deutete auf das Mauerwerk. Auf den ersten Blick waren
die Stufen in der Wand kaum zu erkennen, aber schließlich
sahen sie sie, tief ins Gestein eingegraben wie die

Weitere Kostenlose Bücher