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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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der
Wächter.«
    Athelstan starrte
nachdenklich zu einem der Schinken hinauf, der sich am Balken
drehte. »Eigentiich wissen wir überhaupt nichts«,
meinte er. »Wir haben keine Ahnung, wer der Mörder ist
oder wie er oder sie zu Sir Ralph ins Zimmer kamen. Allerdings
haben wir Sir Fulkes Schnalle gefunden.«
    »Aber er
behauptet, heute morgen vor unserer Ankunft auf dem zugefrorenen
Graben herumgelaufen zu sein.«
    »Ich glaube
ihm«, sagte Athelstan. »Aber erinnert Euch, wie er
sagte, er habe die Schnalle am Tag zuvor
verloren.«
    »Was willst du
damit sagen, Bruder?«
    »Entweder hat er
sie verloren, als er über den Burggraben geschlichen ist, um
Sir Ralph umzubringen, oder ein anderer hat sie dort hingelegt. Ich
vermute letzteres. Daß Sir Fulke ehrlich zugibt, auf dem
Wassergraben gewesen zu sein, bewahrt ihn vor dem Verdacht. Hätte er es
abgestritten, und wir könnten später beweisen, daß
er doch draußen war, sähe die Sache anders
aus.«
    »Woher wissen
wir, daß er nicht lügt?« rief Cranston. »Ist
dir die Pforte vor dem Wassergraben aufgefallen? Die Angeln waren
ganz verrostet. Vor uns hat diesen Durchgang seit Jahren keiner
mehr benutzt. Könnte also sein, daß Sir Fulke
lügt.«
    »Er konnte aber
auch durch eine andere Pforte gekommen sein.«
    »Ein
interessanter Einfall, Bruder, aber laß uns die Motive
ansehen.«
    Athelstan spreizte die
Hände. »Es gibt ebenso viele Motive wie Leute im Tower,
Sir John. War Sir Fulke habgierig? War der Kaplan wütend, weil
man ihn einen Dieb genannt hat? Wollte Colebrooke Sir Ralphs
Posten? Sahen Philippa und ihr Liebhaber in Sir Ralph ein Hindernis
für ihre Heirat oder für Philippas
Erbe?«
    »Und
damit«, schloß Cranston, »sind wir bei den beiden
Hospitalitern. Wir wissen, daß sie nicht die Wahrheit sagen.
Auf irgendeine Weise sind das Pergament und der Kuchen mit dem Mord
verbunden, und sie wissen über beides etwas. Sir Ralphs
Todesankündigung zeigte ein Schiff, einen Dreimaster, wie er
oft im Mittelmeer unterwegs ist. Der Sesamkuchen ist das Zeichen
der Assassinen. Ergo: Sir Ralphs Tod muß mit irgendeinem
Geheimnis in seiner Vergangenheit Zusammenhängen, mit seiner
Zeit als Soldat in Outremer.«
    Athelstan stellte
seinen Krug auf den Tisch. Er klappte den Mund auf und
zu.
    »Was ist los,
Bruder?«
    »Es
läßt nur eine Schlußfolgerung zu, Master Coroner:
Sir Ralph ist vielleicht nicht der letzte, der im Tower stirbt,
bevor das Weihnachtsfest beginnt.«

5. Kapitel
    Sie blieben noch eine
Weile im Wirtshaus. Athelstan hatte erwartet, daß Cranston
schließlich sein Pferd besteigen und nach Cheapside
zurückreiten werde, aber der Coroner schüttelte den
Kopf.
    »Ich will zu
deinem verfluchten Friedhof«, schnaubte er. »Du
brauchst jemanden mit einem scharfen Verstand, um das Geheimnis
dort zu ergründen.«
    »Aber Lady Maude
wartet sicher.«
    »Soll
sie!«
    »Sir John,
stimmt etwas nicht?«
    Cranston runzelte die
Stirn und blickte woanders hin.
    »Geht es um
Matthew?« fragte Athelstan sanft. »Ist es der Jahrestag
seines Todes?«
    Cranston stand auf und
hakte sich bei Athelstan unter, als sie hinausgingen. Vor der
Tür blieben sie stehen und warteten, bis der Hausknecht ihre
Pferde gesattelt hatte. »Sag mir, Bruder, als du damals als
Novize von deinem Orden weggelaufen und mit deinem kleinen Bruder
nach Frankreich in den Krieg gezogen bist, warst du da
glücklich?«
    Athelstan spürte,
wie sein Herz einen Satz tat. »Natürlich.« Er
lächelte schmal. »Ich war damals jung. Das Blut kochte
in meinen Adern, und ich sehnte mich nach großen
Abenteuern.«
    »Und als du
deinen Bruder tot und kalt wie Eis auf dem Schlachtfeld fandest und
nach England zurückfuhrst, um deinen Eltern zu beichten, was
du getan hattest - was war da?«
    Athelstan schaute in
den Hof hinaus; es wurde langsam dunkel. »Im Evangelium, Sir
John, sagt Christus, am Ende der Welt wird der Himmel wanken, und die
Planeten werden in loderndem Feuer auf die Erde fallen.«
Athelstan schloß die Augen. Er fühlte Francis’
Geist ganz deutlich. »Als ich meinen Bruder tot auf dem Feld
fand«, fuhr er fort, »da stürzte für mich der
Himmel auf die Erde.«
    »Und was
dachtest du da über das Leben?«
    Athelstan rieb sich
den Mund und schaute in Cranstons trauriges Gesicht. »Ich
fühlte mich von ihm verraten«, sagte er leise. Cranston
klopfte ihm sanft auf die Schulter. »Aye, Bruder -
vergiß nicht: Der blutrote Kuß des Verräters ist
immer der süßeste. Daran wirst du dich erinnern,

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