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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Herz eines Mannes.«
    »Du wirst die
Kirche abschließen?«
    »So viel
Vertrauen, Pater?«
    Athelstan
lächelte. »Ich glaube, du wirst die Aufgabe besser
erfüllen als irgendein Mann. Im Ernst, Benedicta, paß
auf, daß Ranulf nicht Bonaventura mitnimmt. Und die Kinder
sollen keine Schneeballschlachten auf dem Vorplatz machen. Ursulas
Schwein soll die Überreste meines Gartens in Ruhe lassen, und
kümmere dich vor allem um Cecily. Ich glaube, sie ist schon
wieder drauf und dran, sich zu verlieben.« Er ging die Treppe
hinunter und drehte sich noch einmal um. »Ach,
Benedicta?«
    »Ja,
Pater?«
    »Gestern abend -
dieses köstliche Essen. Ich danke dir. Ein sonderbarer Mann,
dieser Doktor Vincentius.«
    Benedicta
lächelte. »Nicht so sonderbar wie manche Priester, denen
ich begegnet bin.«
    Athelstan funkelte sie
in gespielter Empörung an, und sie hüpfte wie ein junges
Mädchen in die Kirche.
    Er weckte den
schnarchenden Philomel, sattelte ihn und war bald darauf unterwegs
zur London Bridge. Bei den Bordellen am Flußufer herrschte
ein so reges Treiben wie auf einem aufgewühlten Ameisenhaufen
im Sommer; Bootsleute, Matrosen und Fischer strömten in
Scharen zur Uferböschung hinunter, um zu sehen, wie das Eis
schmolz. Athelstan trieb Philomel behutsam durch das Gedränge
an der Brücke. Er schaute nicht nach rechts oder links; diese
Brücke zu überqueren konnte schon an wunderschönen
Tagen ein beängstigendes Erlebnis sein; heute galt das um so
mehr, da das Eis unter ihr brach und krachte. Athelstan schaute
lieber hinüber zu den Schiffen, die an den Docks von
Billingsgate und Queenshithe hektisch lavierten. Galeonen aus der
Gascogne, beladen mit Weinfässern, Holzfrachter für die
Picardie, die kleinen Schalenboote aus Essex und mächtige
Schiffe aus Alamein und Norwegen, die sich zur großen Fahrt
rüsteten. Fischerboote, Barken und Leichter umschwärmten
geschäftig die Schiffe, und Männer zerschlugen das Eis
mit Hacken und Schaufeln und Hämmern. Auf dem hochragenden
Achterkastell einer genuesischen Kogge sang ein Junge eine Hymne an
die Jungfrau zum Dank für den Wetterumschwung, während
die Matrosen auf einer griechischen Galeere singend um Gnade
beteten:»Kyrie eleison, Christe eleison, kyrie eleison -
Herr, erbarme Dich, Christus, erbarme Dich.« Ihr Gesang war
so schön, daß Athelstan anhielt und mit geschlossenen
Augen zuhörte, bis ein wüst fluchender Kutscher mit
seiner Peitsche knallte und brüllte, manche Leute
müßten arbeiten und könnten nicht herumtrödeln
wie die blöden Pfaffen. Athelstan machte ein Kreuzzeichen
für seinen Quälgeist, stieg ab und führte Philomel
an der Kirche St. Magnus an der Ecke zur Bridge Street
vorbei.
    In der Candlewick
Street drängten sich jetzt Karren, Packpferde und Lastwagen, denn
buchstäblich jeder Händler in der Stadt nutzte die
Gelegenheit, die der Wetterumschwung bot. Athelstan ritt weiter in
Richtung Walbrook. Auf der einen Seite der Straße floß
in einem tiefen Graben ein träger Bach. Das Wasser war schwarz
und voller Eisstücke, und auf einem der kotverschmierten Stege
prügelten zwei Halbwüchsige mit Stöcken aufeinander
ein. Athelstan und Philomel stapften weiter, mußten
allerdings kurz an die überhängenden Häuser
flüchten, als eine Gruppe Ratsherren wichtigtuerisch die
Straße herunterkam. Ein Herold lief vor ihnen her, die
Silbertrompete an den Lippen, während zwei Ratsdiener ihnen
mit empfindlichen Stockhieben den Weg frei machten. Über den
Ratsherren knatterte die Stadtflagge in prachtvollem Zinnoberrot,
und die golden aufgestickte St.-Pauls-Figur schien eigenartig zu
strahlen. An der Ecke der Walbrook waren Straßenkehrer an der
Arbeit; mit mächtigen Holzrechen schoben sie Matsch und
Müll zu hohen, stinkenden Bergen zusammen. Ein Büttel
hatte ein Schwein gefunden, das sich herumtrieb, und ihm, den
städtischen Verordnungen entsprechend, auf der Stelle die
Kehle durchgeschnitten. Das Blut schoß in heißem, rotem
Strom hervor, und der Besitzer des Schweins, ein kleiner,
kahlköpfiger Mann, überschüttete den Beamten mit
einem Schwall grausiger Flüche. Athelstan mußte an
Ursula und ihre große, fette Sau denken und fragte sich, ob
der Büttel wohl auch nach Southwark gehen würde. Die
Parasiten der Stadt wimmelten umher wie Fliegen über einem
Stück Scheiße: samthäutige Burschen, Taschendiebe,
Quacksalber, Nachtwanderer, Schauspieler und täppische
Gaukler.
    Endlich fand Athelstan
das Goldene Lamm, eine kleine Schenke an der

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