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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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merkwürdig, Sir
John«, meinte Athelstan leise, »wie wir Menschen ein
solches Vergnügen an der Demütigung anderer
finden?«
    Cranston dachte an
Lady Maude, blinzelte und schaute weg. Athelstan wurde unmhig.
»Also, Sir John, befragen wir jetzt Horne oder gehen wir zum
Tower?«
    Cranston stand auf.
»Meine Aufgabe ist es, die Ursache des Todes zu
ergründen«, verkündete er großspurig.
»Nicht, Botengänge für die Mächtigen der Stadt
zu erledigen. Also gehen wir zum Tower. Schließlich - wie
heißt es in der Schrift? Wo der Leichnam liegt, da sammeln
sich die Geier.«
    »Sir
John?« Athelstan kratzte sich am Kopf. »Diese Warnung -
der Sesamkuchen und das Schiff… das beunruhigt mich immer
noch.«
    »Was meinst du
damit?« fragte Cranston schwerzüngig und schwankte
gefährlich.
    »Nun, Horne zum
Beispiel hat den Sesamkuchen als Drohung erkannt. Aber weshalb ist
diese plumpe Zeichnung von einem Schiff für ihn und die
anderen so schrecklich?«
    »Alle haben
Angst, weil sie Lügner sind«, fauchte Cranston.
»Keiner sagt die Wahrheit.« Er funkelte Athelstan unter
borstigen Brauen hinweg an.
    »Was ist mit
Euch, Sir John?« fragte Athelstan hartnäckig. »Ich
spüre doch die Wut und den Schmerz, der in Euch gärt. Ihr
müßt es mir sagen.«
    »Bald«,
knurrte der Coroner. »Laß uns gehen.«
    Sie holten ihre Pferde
aus dem Stall und gingen durch die kalten, vollgestopften
Straßen. Jeder Londoner schien unterwegs zu sein; die
Standbesitzer versuchten, entgangene Geschäfte wettzumachen,
und die Luft war schwer vom würzigen Duft aus Schenken und
Küchen. Sie kamen nach Comhill, und dann ging es vorbei an
Leadenhall und Aldgate. Bei einer Menschenmenge blieben sie stehen,
die sich an der Ecke von Poor Jewry um einen Redner drängte,
eine erstaunliche Gestalt mit langem, strengem Gesicht; sein Kopf
war völlig kahlgeschoren und der dürre Körper von
Kopf bis Fuß in ein schwarzes Gewand gehüllt. Der Mann
verstummte, als er Cranston erblickte, und sein Mund und Kinn
strafften sich vor Wut. Der Zorn ließ seine Augen
glühen, und Athelstan fühlte sich an die Gestalt Johannes
des Täufers im Mummenschanz erinnert. Der Mann ließ
Cranston nicht aus den Augen, holte tief Luft und reckte einen
knochigen Finger in den klaren blauen Himmel.
    »Weh dieser
Stadt!« schnarrte er. »Weh ihren korrupten Beamten! Weh
jenen, denen sie dienen, die, in Seide gekleidet, sich faul auf den
Kissen lümmeln und die Bäuche mit bestem Essen und
schwerstem Wein füllen! Sie werden der Wut, die dakommt, nicht
entrinnen. Wie können wir essen und trinken, wenn unsere armen
Brüder und Schwestern hungern? Was werden sie uns dereinst
antworten?«
    Cranston trat
wütend nach vom, aber Athelstan hielt ihn am Ärmel
fest.
    »Nicht jetzt,
Sir John!«
    »Wer ist
das?« fauchte Cranston.
    »Der
Heckenpriester. John Ball. Ein großer Prediger«,
flüsterte Athelstan. »Der Mann ist sehr beliebt. Dies
ist weder die richtige Zeit noch der richtige
Ort.«
    Cranston holte tief
Luft, machte auf dem Absatz kehrt und stapfte weiter. Die flammende
Rede des Predigers folgte ihnen bis zum Ordenshaus der
Kreuzbrüder und weiter durch eine Gasse Richtung
Tower.
    »Eines
Tages«, knirschte Cranston, »werde ich diesen Bastard
hängen sehen!«
    »Sir John, was
er sagt, ist die Wahrheit.«
    Der Coroner drehte
sich um. Alle Wut wich, und sein Gesicht und sein Körper
schienen zu schrumpfen.
    »Was soll ich
tun, Athelstan? Wie kann ich die Armen von Kent ernähren?
Vielleicht esse ich zuviel, und sicher trinke ich zuviel, aber ich
strebe nach Gerechtigkeit und tue, was ich kann.« Cranstons
große dicke Hände flatterten wie die Flügel eines
verletzten Vogels, und Athelstan sah den Schmerz in seinen
Augen.
    »In drei Teufels
Namen, Bruder, ich habe ja nicht einmal meinen eigenen Haushalt im
Griff.«
    »Lady
Maude?« fragte Athelstan.
    Cranston nickte.
»Ich fürchte, sie hat einen anderen kennengelernt.
Vielleicht einen Stutzer vom Hofe.«
    Athelstan starrte ihn
ungläubig an.
    »Lady Maude?
Niemals! Sir John, Ihr seid verrückt!«
    »Wenn jemand
anderes das zu mir sagte, würde ich ihn
umbringen.«
    »Also ich sage
es. Lady Maude ist eine ehrbare Frau, und sie liebt Euch von
Herzen. Allerdings frage ich mich manchmal«, knurrte er
erbost, »wie sie das schafft.« Er packte den dicken
Coroner beim Mantel. »Welchen Beweis habt Ihr
dafür?«
    »Gestern abend
habe ich sie über die London Bridge aus Southwark kommen
sehen, aber als ich sie fragte, wo sie war,

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