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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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wandte sich ab und spuckte aus.
»Zeit zum Sterben«, klagte er. »Das Lied der
Raben ist das einzige, das wir
hören.«        
    »Und wo waren
alle?« fragte Cranston.
    »Oh, Mistress
Philippa hatte uns alle zum Abendessen in den Beauchamp Tower
eingeladen.«
    »Alle?«
wiederholte Athelstan.
    »Naja, die
beiden Hospitaliter hatten abgesagt. Rastani ist nicht gekommen,
und ich war nicht ständig da, weil ich meinen Rundgang machen
mußte. Ich war gerade wieder zu Mistress Philippas
Gesellschaft zurückgekehrt, als die Glocke
losging.«
    »Und Ihr habt
niemanden entdeckt?« Cranston blieb beharrlich.
    »Niemanden«,
bekräftigte Colebrooke. »Jetzt wird es den Soldaten
unbehaglich. Sie führen düstere Reden von Dämonen
und Gespenstern, und der Tower ist keine beliebte Garnison. Ihr
kennt ja Soldaten, Sir John; sie sind schlimmer als Seeleute. Sie
erzählen sich jetzt die alten Geschichten von der uralten
Opferstätte, auf deren Überresten der Tower angeblich
steht. Vom Blut, das in den Mörtel gemischt sei, und von den
Leichen in den Fundamenten.«
    »Unsinn!«
knurrte Cranston. »Was meinst du, Bruder?« Athelstan
zuckte die Achseln. »Der Lieutenant hat vielleicht recht, Sir
John. Es gibt mehr Mächte zwischen Himmel und Erde, als wir
kennen.«
    »Du glaubst also
den Unsinn von den Gespenstern?«
    »Natürlich
nicht. Aber der Tower ist ein blutiger Ort. Männer und Frauen
sind hier eines schrecklichen Todes gestorben.« Athelstan
schaute sich um und schauderte trotz des strahlenden
Sonnenscheins.
    »Die Angst ist
das eigentliche Gespenst«, fuhr er dann fort. »Sie
saugt uns die Harmonie aus dem Herzen und verstört unsere
Seele. Sie schafft eine Atmosphäre der Gefahr, der
unheimlichen Bedrohung. Unser Mörder ist höchst geschickt
und intelligent. Er erreicht genau das, was er
will.«
    »Wer hat den
Toten gefunden?« fragte Cranston.
    »Fitzormonde.
Als die Glocke läutete, rannte alles umher und kontrollierte
Türen und Tore. Fitzormonde suchte Mowbray und fand die
Leiche.«
    »Wir werden uns
den Wehrgang ansehen«, sagte Athelstan. »Master
Lieutenant, ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr alle in Mistress
Philippas Gemächern versammeln könntet. Übermittelt
der Lady meine Entschuldigung und meine Bitte um Nachsicht, aber es
ist wichtig, daß wir uns dort treffen, wo Ihr gestern abend
wart, als die Sturmglocke läutete.«
    Cranston und Athelstan
sahen Colebrooke nach.
    »Glaubst du, da
ist ein Zusammenhang?« fragte Cranston.
»Wo?«
    »Zwischen der
Sturmglocke und Mowbrays Absturz.«
    »Selbstverständlich,
Sir John.« Athelstan zog ihn am Ärmel, und sie gingen
über den menschenleeren Innenhof zu der Treppe, die zum
Wehrgang hinaufführte. Dort blieben sie stehen und schauten an
der Festungsmauer hinauf.
    »Ein furchtbarer
Sturz«, murmelte Athelstan.
    »Du sagst, da
ist ein Zusammenhang«, drängte Cranston gereizt,
»zwischen der Sturmglocke und Mowbrays
Absturz.«
    »Nur eine
Hypothese, Sir John. Mowbray ging oben auf der Mauer spazieren. Wie
viele alte Soldaten war er gern allein, um nachzudenken. Da steht
er nun und schaut in die Dunkelheit. Er hat Warnungen erhalten:
Sein Tod soll unmittelbar bevorstehen. Er ist versunken in
Gedanken, Befürchtungen, Ängsten. Plötzlich gellt
die Sturmglocke; also wird die größte Festung des
Königreiches angegriffen.« Athelstan schaute Sir John in
die traurigen Augen. »Was hättet Ihr getan - an Mowbrays
Stelle? Schließlich, Sir John«, fügte er
verschmitzt hinzu, »seid auch Ihr ein Kriegsmann, ein
Soldat.«
    Cranston schob die
Biberfellmütze in den Nacken, kratzte sich den fast kahlen
Schädel und schürzte die Lippen wie Alexander der
Große persönlich. »Ich würde losrennen, um
herauszukriegen, was dahintersteckt«, antwortete er dann
nachdenklich. »Ja, das würde ich tun.« Er sah
Athelstan an. »Natürlich, Mowbray wird das gleiche getan
haben. Aber was ist dann passiert? Ist er ausgerutscht? Oder wurde
er gestoßen?«
    »Ich glaube
nicht, daß er ausgerutscht ist. Mowbray dürfte zu
vorsichtig gewesen sein. Und ich bezweifle, daß er sich von
irgend jemandem dort kampflos hätte herunterstürzen
lassen.«
    »Also wie
dann?«
    »Ich weiß
es nicht, Sir John. Laßt uns zunächst die Tatsachen
sichten.«
    Sie wollten gerade die
Treppe hinaufsteigen, als plötzlich eine Stimme sang:
»Guten Morgen, meine Freunde!« Rothand sprang, von
seinen bunten Lumpen umflattert, durch den Matsch auf sie zu.
»Guten Morgen, Master Coroner. Guten Morgen, Sir

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