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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Fulke hatte viel zu gewinnen.
    Athelstan hörte,
wie Cranston seinen Namen brüllte; er verließ das Gemach
und ging die Treppe hinunter. Unten stapfte der Coroner
geistesabwesend im Schnee hemm.
    »Geht es Euch
besser, Sir John?«
    Cranston
grunzte.
    »Und Fitzormonde
hat Euch alles erzählt?«
    Der Coroner blickte
auf. »Ja, ich glaube schon, Athelstan. Denkst du das gleiche
wie ich?«
    Athelstan nickte.
»Unsere Sünden«, murmelte er, »holen uns
immer wieder ein. Die Griechen nennen sie Furien. Wir Christen
sagen: Der Zorn Gottes.«   
    Cranston wollte
antworten, als Colebrooke auf sie zukam. Er sah blaß und
angespannt aus.
    »Mylord
Coroner?« rief er. »Ihr seid hier
fertig?«
    »Mit anderen
Worten«, flüsterte Cranston Athelstan zu, »der
Bursche fragt, wann wir uns endlich verpissen.«
    »Wir gehen
gleich«, rief Athelstan laut. »Darf ich Euch vorher
noch um einen Gefallen bitten?«
    Colebrooke verbarg
seinen Widerwillen hinter einem künstlichen
Lächeln.
    »Aber
natürlich, Bruder.«
    »Ihr habt doch
Boten hier. Könnt Ihr einen zur Witwe Benedicta in St.
Erconwald in Southwark schicken? Sie möge Sir John und mich in
den Drei Kranichen in Cheapside treffen. Und - Master
Lieutenant?«
    »Ja?«
    »Sir Ralphs
Leiche - war sie kalt und das Blut geronnen?«
    »Ich bin Soldat,
Bruder, kein Arzt. Aber - jawohl, ich glaube, so war es.
Warum?«
    »Oh, nur
so«, murmelte Athelstan. »Ich danke Euch.«
Colebrooke nickte und ging davon. Cranston streckte sich
träge. »Ein schöner Schlamassel,
Bruder.«
    »Pst, Sir John.
Nicht hier. Ich glaube, diese Wände haben Ohren, und unser
lieber Kumpan Rothand wünscht eine Audienz.« Cranston
drehte sich um und fluchte leise, als er den Verrückten,
japsend wie einen freudig erregten Hund, durch den Schnee
heranpurzeln sah, um sie zu begrüßen.
    »So viel Blut!
So viel Blut!« krähte er. »Viele tot, dunkle
Geheimnisse! Drei Kerker, aber nur zwei Türen. Dunkle
Gänge. Rothand sieht sie alle! Rothand sieht die Schatten
knarren!« Der Irre tanzte vor ihnen im Schnee. »Auf und
ab! Auf und ab fällt der Körper! Was glaubt Ihr? Was
denkt Ihr?«
    »Hau ab,
Rothand«, knurrte Cranston, nahm Athelstan beim Arm und ging
mit ihm an der Großen Halle vorbei zum Tor unter dem
Wakefield Tower. Plötzlich fiel Athelstan der Bär ein; er
ging zurück zu dem Tier, das angekettet in der Ecke saß,
wo die Mauer an den Bell Tower stieß. Der Bruder war
fasziniert und unterdrückte ein
Lächeln. Hoffentlich merkte Sir John es nicht, aber es bestand
eine große Ähnlichkeit zwischen dem zottigen Ungeheuer
und dem korpulenten Coroner.
    »Es stinkt wie
im Totenhaus«, stöhnte Cranston.
    Der Bär drehte
sich um, und Athelstan sah die Wut in den kleinen roten Augen. Die
mächtige Bestie kam schwerfällig auf die Beine und zerrte
an der Kette um den Hals.
    »Ich frage mich,
wer verrückter ist«, brummt Cranston. »Der
Bär oder Rothand.«
    Der Bär schien zu
verstehen, was Sir John gesagt hatte, denn er sprang mit dumpfem
Gebrüll auf ihn zu. Sein Maul kräuselte sich, und eine
Reihe Zähne, so spitz wie Dolche, kam zum
Vorschein.
    »Ich glaube, Ihr
habt recht, Sir John«, sagte Athelstan. »Vielleicht
sollten wir gehen.«
    Der Ordensbruder sah
mit Erschrecken, wie die Kette um den Hals des Bären knirschte
und der Eisenhaken, der in die Mauer getrieben war, zitterte. Sie
wandten sich nach links, um ihre Pferde aus dem Stall zu
holen.        
    »Wir
könnten sie auch hierlassen«, schlug Athelstan vor,
»und mit dem Boot flußabwärts
fahren.«
    »Gott
behüte, Bruder«, widersprach Cranston. »Hast du
den Verstand verloren? Das verfluchte Eis treibt noch, und unter
der London Bridge hindurchzuschießen habe ich selbst an einem
schönen Tag keine Lust.«

 
    8.
Kapitel
    Sie verließen
den Tower und ritten durch Eastchepe und Gracechurch, vorbei am
Commarket, wo St. Peter on Comhill stand, und in die Cheapside. Der
Krach auf dieser Hauptstraße war ohrenbetäubend:
Händler, Kaufleute und Lehrjungen schrien sich heiser und
versuchten, das entgangene Geschäft aufzuholen. Auch die
Gemeindediener und Büttel hatten alle Hände voll zu tun:
Zwei Trunkenbolde mit Fässern auf den Köpfen wurden
über den Marktplatz geführt, und eine Horde
schmutziger, zerlumpter Straßenjungen
bewarf die Unglücklichen mit Eis und
Schneebällen.
    An der Ecke der
Threadneedle Street war ein Bettler gestorben. Der Leichnam war
inzwischen steif und vor Kälte blau geworden. Ein kleiner
Junge

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