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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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als eine Gruppe von Schuldhäftlingen
aus dem Gefängnis Marshalsea, mit Ketten aneinandergefesselt,
um Almosen für sich und die anderen Häftlinge bettelten.
Die Schenke Zu den Drei Kranichen lag an der Ecke eines
Gäßchens gegenüber von St. Mary Le Bow. Benedicta
saß vor dem lodernden Feuer und erwartete sie schon. Neben
ihr auf dem Boden hockte Orme, einer der Söhne von Watkin, dem
Mistsammler. Athelstan steckte ihm einen Penny zu, tätschelte
ihm den Kopf, und der Junge wieselte davon.
    »Nun, Benedicta,
hast du meine Kirche in ordentlichem Zustand
verlassen?«
    Die Witwe
lächelte und öffnete die Spange ihres Mantels. Athelstan
fragte sich plötzlich, wie sie wohl in einem Taftkleid in
leuchtendem Scharlachrot aussehen würde anstatt der dunklen
Braun-, Grün- und Blautöne, die sie immer
trug.
    »Ist alles in
Ordnung?« wiederholte er hastig.
    Benedicta
lächelte. »Cecily und Watkins Frau haben sich ordentlich
beschimpft, aber davon abgesehen werdet Ihr betrübt sein zu
hören, daß die Kirche noch steht. Sir John, Euch geht es
gut?« Sie verdrehte den Kopf, um den Blick des Coroners auf
sich zu lenken; aber der spähte finster zum Wirt hinüber,
der bei den großen Weinfässern geschäftig mit
anderen Gästen schwatzte.
    »Mylady«,
gab Cranston zurück, »mir würde es besser
gehen« - und er hob die Stimme zum Gebrüll -, »mir
würde es besser gehen, wenn ich Bedienung hätte und die
Aufmerksamkeit, die einem Beamten des Königs
gebührt!«
    Der Wirt schwatzte
weiter. Cranston ging hinüber und forderte brüllend einen
Becher vom spanischen Weißen und Wein für seine
Gefährten.
    »Was ist mit
ihm?« flüsterte Benedicta.
    »Ich weiß
es nicht. Ich glaube, Lady Maude hat ihn beunruhigt. Sie benimmt
sich geheimnisvoll und verschlossen.«
    »Merkwürdig«,
sagte Benedicta nachdenklich. »Ich wollte es Euch schon
sagen, Bruder. Lady Maude ist vor gut einer Woche in Southwark
gesehen worden. Man vergißt sie ja nicht leicht - so zierlich
und niedlich, wie sie ist.« Benedicta kniff die Augen
zusammen. »Ja, ich bin sicher, man hat mir erzählt,
daß sie aus Doktor Vincentius’ Haus
kam.«   
    »Ist er ein
Frauenheld?« fragte Athelstan hastig, und im selben Moment
hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen. Benedicta sah
ihn kühl an.
    »Bruder
Athelstan«, antwortete sie, »könnt Ihr mir einen
Mann zeigen, der keiner ist?«
    Cranstons
Rückkehr bewahrte Athelstan vor weiteren Peinlichkeiten. Der
Coroner riß sich die Bibermütze vom Kopf, kratzte sich
den kahlen Schädel, zwinkerte Benedicta wollüstig zu und
sah dann zu, wie der jetzt ganz verschüchterte Wirt eine
große Zinnschale mit Sherry und
Rotweinbecher für seine Gefährten
herübertrug.
    »Ihr wollt
nichts essen, Sir John?«
    »Nein!«
knurrte Cranston. »Ich bin nicht hungrig, und der Wirt
würde nach meinem Auftritt bestimmt das verdammte Essen
vergiften.«
    Benedicta lachte
fröhlich. »Sir John, Ihr müßt Euch
beruhigen!«
    »Nein«,
erwiderte Cranston und hob seine Schale. »Heitere
Gelassenheit finde ich erst auf dem Boden dieses Bechers!«
Benedicta sah ungläubig zu, wie Cranston das Gefäß
in einem einzigen Zug leerte, dröhnend nach mehr verlangte und
dabei schmatzte, ächzte und leise rülpste. Sie biß
sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen.
    »Nun, Bruder
…« Cranston klopfte sich auf den fetten Wanst.
»Mit meiner Entschuldigung an Lady Benedicta - aber was
hältst du von Mowbrays Tod … oder von Sir
Ralphs?« Athelstan lehnte sich vor und strich mit der
Fingerspitze über den Rand seines Weinbechers. »Erstens:
Wir haben festgestellt, daß Sir Ralph wahrscheinlich von
jemandem ermordet wurde, der den Tower über den zugefrorenen
Wassergraben betreten hat. Zweitens: Mowbray wurde durch die
Alarmglocke in den Tod gelockt. Drittens: Beide Todesfälle
hängen sicher mit dem schrecklichen Verrat zusammen, den Sir
Ralph vor so vielen Jahre auf Zypern an Bartholomew Burghgesh
begangen hat.« Athelstan lächelte, als er Benedictas
fragenden Blick sah. »Du bist verwirrt. Nun, wir sind es
auch. Erstens: Wie kann jemand den Tower betreten, Sir Ralph
ermorden und dann die Festung verlassen, ohne daß jemand ihn
bemerkt? Zweitens: Warum ist Sir Ralph einfach liegengeblieben und
hat sich die Kehle so brutal durchschneiden lassen, daß ihm
fast der Kopf vom Körper getrennt worden wäre? Ihr habt
die Leiche gesehen, Sir John, und auch die Kammer: Da war keine
Spur eines Kampfes, und die Wachen haben auch nichts
gehört.

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