Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
Drittens: Wer hat die Sturmglocke geläutet und
gleichzeitig so feinsinnig dafür gesorgt, daß Mowbray
von der Mauer stürzte?«
    Das Gesicht des
Coroners wurde bei jedem Wort länger.
    »Und die Liste
der Verdächtigen«, fuhr Athelstan erbarmungslos fort,
»ist immer noch lang. Vielleicht sind wir dem Mörder
schon begegnet, aber genausogut kann es jemand im Tower oder in der
Stadt sein, von dem wir gar nichts
wissen.«        
    »Ich kenne nicht
die ganze Geschichte«, unterbrach Benedicta, »aber in
Southwark herrscht Freude über Sir Ralphs Tod.« Sie
senkte die Stimme. »Pike, der Grabenbauer, meint, es war das
Werk der Großen Gemeinde. Die geheimen Bauernführer
wollen die Stadt schwächen, bevor sie ihren großen
Aufstand organisieren.«
    »Unsinn!«
sagte Cranston schwerzüngig; er war schon bei seinem dritten
Becher Sherry. »Pike, der Grabenbauer - halten zu Gnaden,
Mylady Benedicta -, sollte seinen Mund halten und auf seinen Hals
achten. Sir Ralph wurde von keinem Bauern
umgebracht.«
    Athelstan nahm einen
kleinen Schluck Wein und verzog das Gesicht, denn dieser war sehr
sauer. »Ein Beteiligter, den wir noch nicht kennen, Mylord
Coroner, ist der Kaufmann Adam Horne. Benedicta, bevor wir zu Simon
ins Fleet-Gefängnis gehen, müssen wir noch bestimmte
Erkundigungen einholen. Willst du uns begleiten?«
    Benedicta war
einverstanden, und so erhoben sie sich und gingen, nicht ohne
daß Cranston dem unglücklichen Wirt noch ein paar
Beleidigungen an den Kopf warf. Draußen wurde es dunkel; nur
ein roter Schimmer zeigte, wo eben die Sonne untergegangen war.
Cranston balancierte vorsichtig auf dem glatten Kopfsteinpflaster
und schaute zum Himmel.
    »Wieso ist die
Sonne abends immer rot?«
    »Manche
behaupten«, sagte Athelstan, »weil die Sonne in
die Hölle
hinabsteigt, aber ich glaube, das ist ein Altweibermärchen.
Kommt, Sir John.«
    Athelstan umkurvte den
Coroner und hakte sich taktvoll bei ihm ein; Benedicta
übernahm die andere Seite, und sie überquerten die
inzwischen verlassene Cheapside. Allenthalben wurden Stände
weggepackt, und die letzten eisenbeschlagenen Karren polterten in
Richtung Newgate oder ostwärts nach Aldgate. Müde
Lehrjungen und Händler machten ihre Läden zu und
hängten Lichthörner heraus. St. Mary Le Bow begann mit
dem Abendläuten, das Zeichen, daß aller Handel
aufzuhören habe, und vier Jungen schleppten einen dicken
Weihnachtsklotz zur Tür eines großen Kaufmannshauses.
Cranston blieb stehen, um einen Marktwächter in seinem
Zollhäuschen an der Ecke der Wood Street nach dem Weg zu
fragen. Der Mann deutete zur Ecke Mercery und Lawrence
Street.
    »Dort findet Ihr
Hornes Haus«, sagte er. »Ein schönes Haus mit
einer großen schwarzen Holztür und einem Wappen
darüber.« Sie machten kehrt und hielten sich in der
Mitte der Cheapside, denn der schmelzende Schnee rutschte hier und
da von den schrägen Ziegeldächern herunter. Das Hornesche
Haus wirkte verlassen; keine Laterne hing über der Tür,
nur ein müde aussehender Weihnachtskranz. Cranston trat
zurück und schaute zu den bleiverglasten Fenstern
hinauf.
    »Kein
Kerzenlicht«, brummte er.
    Athelstan zog
Benedicta näher an die Hauswand, um sie vor dem Schnee, der
von dem kleinen Vordach über der Haustür herunterrutschen
konnte, in Sicherheit zu bringen. Er hob den großen, wie ein
Drachenkopf geformten Messingklopfer und ließ ihn krachend
fallen. Nichts rührte sich, und so klopfte er noch einmal.
Jetzt hörte man Schritte, und eine käsige Magd
öffnete die Tür.
    »Ist der
Ratsherr Horne zu Hause?« fragte Cranston.
    Das junge Mädchen
schüttelte wortlos den Kopf.
    »Wer ist
da?« fragte eine Stimme aus der Dunkelheit hinter ihr.
»Lady Horne?« rief Cranston. »Ich bin Sir John
Cranston, der Coroner. Ihr habt heute den Sheriffs im Rathaus eine
Nachricht geschickt?«
    Eine Frau trat aus der
Dunkelheit, und die brennende Kerze in ihrer Hand ließ ihr
kummervolles Gesicht noch bleicher erscheinen. Ihre Wangen waren
tränenfeucht, ihre traurigen Augen von dunklen Schatten
umringt, und ihr stahlgraues Haar hing unordentlich unter einem
weißen Schleier.
    »Sir
John!« Sie lächelte gezwungen. »Kommt doch herein.
Mädchen, zünde die Fackeln auf dem Söller an. Und
bring Kerzen her.«
    Lady Horne führte
sie über einen Gang in einen bequemen, aber kalten
Söller. Im Kamin flackerte ein schwaches Feuer. Lady Horne
ließ sie Platz nehmen, während das Mädchen Kerzen
entzündete. Athelstan sah sich um. Der Raum

Weitere Kostenlose Bücher