Das Haus des roten Schlächters
Athelstan an,
und der Ordensbruder ahnte plötzlich, was sich hinter den
Zeichnungen auf dem Pergament verbarg.
»Was geschah mit
dem Schiff, Sir Brian?«
Der Ritter leerte
seinen Weinbecher in einem Zug. »Ein paar Tage später
erfuhren wir, daß Whitton dem Kalifen eine geheime Botschaft
gesandt hatte.« Er zuckte die Achseln. »Der Rest ist
klar. Das Schiff, auf dem Bartholomew reiste, wurde aufgebracht und
versenkt.«
Athelstan fuhr herum,
als die Tür krachend aufflog. Cranston stand mit böser
Miene und trüben Augen im Türrahmen. »Verdammt, was
ist los, Mönch?« schrie er. »Wo zum
…« Cranston ließ einen obszönen Fluch
hören und funkelte den Ritter an. »Wollt Ihr mich noch
immer herausfordem, Sir Brian?« Athelstan sprang auf, packte
Cranston beim Arm, schob ihn hinaus und schloß die
Tür.
»Sir
John!« fauchte er dann. »Ich nehme diesem Mann die
Beichte ab.«
Cranston versuchte,
ihn beiseite zu schieben. »In drei Teufels Namen«,
erwiderte er, »das ist mir
scheißegal.«
»Sir John, dies
hat nichts mit Euch zu tun.«
Mit aller Kraft
stieß er Sir John zurück, der taumelnd den Gang
hinunterstolperte. Als Cranston sein Gleichgewicht wiedergefunden
hatte, zog er einen langen, gefährlich aussehenden Dolch aus der Scheide
und kam langsam, den Blick starr auf Athelstan gerichtet,
zurück. Der Ordensbruder versperrte ihm die
Tür.
»Was habt Ihr
vor, Sir John?« fragte er leise. »Wollt Ihr, der Lord
Coroner, einen Priester ermorden, einen Kollegen und
Freund?«
Sir John blieb stehen,
sackte gegen eine Wand und starrte hinauf zu den dicken
Deckenbalken, die auf ihren Kragsteinen ruhten. »Gott verzeih
mir, Athelstan«, flüsterte er. »Ich bitte auch Sir
Brian um Vergebung; sag ihm das. Ich warte unten auf dich.«
Der Ordensbruder kehrte ins Zimmer zurück. Fitzormonde
saß noch immer auf der Bank und hatte das Gesicht in den
Händen vergraben. Athelstan berührte leicht seine
Schulter.
»Kümmert
Euch nicht um Cranston«, sagte er. »Sein Bellen ist
schlimmer als sein Biß. Sir Brian, ich soll Euch die Beichte
abnehmen. Burghgesh wurde also ermordet. Die Schuld liegt doch
sicher bei Sir Ralph.«
Fitzormonde
schüttelte den Kopf und blickte auf. »Ihr braucht mich
nicht in Schutz zu nehmen, Vater. Ralph sagte uns, was er getan
hatte. Wir hätten es verhindern können. Wir hätten
Sir Ralph vor Gericht bringen, das Meer absuchen können, um zu
sehen, ob Bartholomew vielleicht überlebt
hatte.«
»Könnte das
sein?«
»Vielleicht.
Manchmal verkaufen die Mohren Gefangene auf dem Sklavenmarkt. Aber
wir suchten auch dort nicht. Wir hätten uns um Bartholomews
Witwe und seinen kleinen Sohn kümmern können, aber auch
das haben wir nicht getan. Wir hätten Sir Ralph hinrichten
sollen. Statt dessen wurden wir seine Komplizen und teilten uns den
unverdienten Reichtum.«
»Was ist aus
Bartholomews Witwe geworden?«
»Ich weiß
es nicht. Unsere Wege trennten sich. Irgendwann plagte das Gewissen
Mowbray und mich so sehr, daß wir zu den Hospitalitern gingen
und dem Orden unseren Besitz übereigneten. Horne kehrte nach
London zurück und kam durch sein Geld zu großer Macht.
Whitton trat bei John von Gaunt in Dienst.« Fitzormonde
stellte den Becher vor sich auf den Boden. »Erst als Whitton
tot war, wurde mir klar, wie sehr er uns alle in einem bösen
Bann gehalten hatte.« Fitzormonde schwieg. Dann fragte er:
»Habt Ihr den großen Bären im Hof des Tower
gesehen?«
»Ja.«
»Jeden
Nachmittag gehe ich hin und starre ihn an. Das Tier ist eine
mörderische Bestie, aber er fasziniert mich. Whitton war
genauso. Er hat aus seiner Schuld ein Band geschmiedet, das uns
alle zusammenhielt. Im Laufe der Jahre wurden wir immer
zuversichtlicher; wir hielten unser Verbrechen für vergessen
und begannen, jedes Jahr zusammen Weihnachten zu feiern. Dabei
sprachen wir kein Wort über Bartholomew.«
Athelstan nickte.
»Das ist das Schreckliche an der Sünde, Sir Brian. Wir
lassen zu, daß sie ein Teil unser selbst wird, wie ein fauler
Zahn, den wir ertragen und schließlich vergessen.«
Fitzormonde rieb sich das Gesicht.
»Aber was ist
vor drei Jahren passiert?« fragte Athelstan.
»Ich weiß
nicht. Wir kamen zur Weihnachtszeit als Ralphs Gäste in den
Tower und aßen wie gewöhnlich in der Goldenen Mitra in
Petty Wales, aber als wir Sir Ralph begegneten, sah er aus, als
hätte er ein Gespenst gesehen. Er behauptete tatsächlich,
eines gesehen zu haben, aber mehr wollte er
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