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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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war luxuriös
eingerichtet mit farbenfrohen Wandbehängen und exquisit
bestickten Leinentüchem auf Tischen, Truhen und Stuhllehnen.
Trotzdem glaubte er, den Gestank der Angst fast zu riechen: Das
Haus war zu still. Er sah Lady Horne an, die an der anderen Seite
des Kamins saß und einen Rosenkranz aus Elfenbein und Perlen
um die Finger geschlungen hatte.
    »Möchtet
Ihr eine Erfrischung?« fragte sie mit leiser Stimme. Cranston
wollte antworten, aber Athelstan schnitt ihm das Wort
ab.
    »Nein, Mylady.
Die Sache ist dringend. Wo ist Euer Mann?«
    »Ich weiß
es nicht«, wisperte sie. »Diese schreckliche Nachricht
kam heute morgen, und Sir Adam ist gleich darauf gegangen. Er
sagte, er wolle den Fluß hinauf zu den Speichern.« Sie
preßte die Hände zusammen. »Ich habe einen Boten
hingeschickt, aber der Junge kam zurück und sagte, mein Mann
sei schon weg. Sir John, was ist nur los?« Ihre müden
Augen flehten den Coroner an. »Was hat das alles zu
bedeuten?«
    »Ich weiß
nicht«, log er. »Aber Euer Gatte, Lady Horne, ist in
schrecklicher Gefahr. Weiß jemand, wohin er gegangen
ist?« Die Frau senkte den Kopf, und ein Schluchzen ließ
ihre Schultern beben. Benedicta stand auf, kauerte sich neben sie
und streichelte sanft ihre Hände.
    »Lady Horne,
bitte«, drängte Athelstan. »Wißt Ihr etwas
über die Nachricht? Wovor hatte Euer Gemahl solche
Angst?«
    Die Frau
schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber Adam
kannte keinen Frieden.« Sie blickte auf. »Er war ein
Mann von großem Reichtum, aber nachts wachte er oft auf und
schrie etwas von einem feigen, blutigen Mord und war
schweißgebadet. Manchmal zitterte er danach noch eine Stunde
lang. Aber nie hat er sich mir anvertraut.«
    Cranston schaute zu
Athelstan herüber und verzog das Gesicht. Der Bruder schaute
auf die Stundenkerze, die hinter ihm auf dem Tisch
stand.
    »Sir
John«, sagte er und erhob sich, »es ist fast sieben.
Wir müssen gehen.«
    »Lady
Horne.« Die Kaufmannsfrau wollte aufstehen, aber Cranston
legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. »Bleibt hier und
haltet Euch warm; das Mädchen wird uns hinausbringen. Wenn
Euer Mann zurückkommt, sagt ihm, er soll mich zu Hause
aufsuchen. Das ist nicht weit. Versprecht Ihr mir
das?«
    Die Frau nickte, bevor
sie sich abwandte und in die verlöschende Glut
schaute.
    Draußen stampfte
Cranston mit den Füßen und klatschte in die
Hände.
    »Diese Frau hat
schreckliche Angst«, stellte er fest. »Ich vermute, sie
weiß, woher der Reichtum ihres Mannes stammt. Aber was
können wir tun? Horne kann überall in der Stadt
sein.« Athelstan zuckte die Achseln. »Sir John,
Benedicta und ich müssen jetzt ins Gefängnis von Fleet.
Wir haben der Pfarrgemeinde versprochen, Simon, den Zimmermann, zu
besuchen.«
    »Ah ja«,
erwiderte Cranston bissig. »Den
Mörder.«
    »Ihr geht nach
Hause?«
    Sir John starrte in
die Dunkelheit. Gern hätte er das getan, aber wozu? Er
würde nur dasitzen und sich um den Verstand saufen. »Sir
John«, wiederholte Athelstan, »Lady Maude wartet schon
auf Euch.«
    »Nein«,
antwortete Cranston störrisch. »Ich gehe mit zum
Gefängnis. Vielleicht kann ich helfen.«
    Athelstan warf
Benedicta einen Blick zu und verdrehte dann die Augen gen Himmel.
Gern wäre er Sir John losgeworden; er hatte die dauernde
schlechte Laune und die jähen Tobsuchtsanfälle des
Coroners satt. Er liebte den fetten Edelmann, aber jetzt hätte
er ihn zu gern von hinten gesehen. Trotzdem willigte er
ein.   
    Sie stapften durch den
blutbespritzten Schneematsch der Shambles und hielten sich vor dem
ekelhaften, fauligen Gestank aus dem Schlachthaus die Nase zu. Dann
ging es nach links in die Old Deans Lane, eine schmale Gasse, wo
der Spülicht knöcheltief zwischen den dunklen,
überhängenden Häusern dahinfloß. In der Feme
bellte traurig ein Hund. An der Ecke der Bowyers Row mußten
sie einem großen Holzkarren ausweichen, der von vier Pferden
mit gestutzten Mähnen und Scheuklappen gezogen wurde. Ihre
Nüstern blähten sich im Verwesungsgeruch des Todes. Die
Hufe der Pferde und die Räder des Karrens waren mit Stroh
umwickelt, und das Gespann schien vorüberzugleiten wie ein
grausiger Spuk. Auf einer Ecke des Karrens steckte eine lodernde
Fackel und beleuchtete den Kutscher wie ein gespenstisches Relief;
vermummt und verhüllt hockte er da, eine grimmige Todesmaske
vor dem Gesicht.
    »Was ist
das?« fragte Benedicta.
    Sie hob ihren
Mantelsaum vor die Nase. Athelstan schlug ein Kreuz und betete,

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