Das Haus in den Dünen
nicht auf mich gehört. Deshalb haben wir uns gestritten. Dann haben ihm meine Brüder gedroht, dass sie ihn anzeigen, wenn er nicht verschwindet.«
»Haben sie ihn erpresst?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wir haben Drohbriefe gefunden, in denen Ihre Brüder Geld von ihm fordern. Hat er Ihrem Sohn und Ihnen Unterhalt gezahlt?«
Wiederum atmete Jenny Kropp tief ein. »Er zahlte, aber meine Brüder haben das Geld eingesteckt. Ich habe keinen Pfennig davon gesehen. Ich habe Hans angerufen und es ihm erzählt. Er hat mir dann ein Sparkonto eingerichtet. In Wilhelmshaven. Meinen Brüdern habe ich gesagt, dass Hans nichts mehr bezahlt.«
»Und warum sind Sie nicht einfach gegangen, warum blieben Sie bei Ihren Brüdern?«
»Wo hätte ich hingehen sollen? Und Maik fühlte sich anfangs dort wohl. Meine Brüder haben ihn um den Finger gewickelt.«
»Warum sind Sie nicht zu Hans Kropp zurück?«
Jenny Kropp überlegte. »Verstehen Sie, ich war damals schuld, dass meine Brüder erfahren haben, in welche Geschäfte Hans verwickelt war. Er hat es mir nicht verziehen. Er sagte, eine Frau, die ihn verrät und die nicht zu ihm steht, kann er nicht brauchen.«
»Haben Sie ihn deswegen erschossen?«, fragte Trevisan.
Sie schlug die Hände vor die Augen. »Ich habe ihn nicht umgebracht. Ich war es nicht.« Ihre Stimme klang von Tränen erstickt. Sie brauchte eine Weile, bis sie sich wieder fing.
»Haben Sie für die Tatzeit ein Alibi?«
»Tatzeit? Ich weiß nicht einmal, wann es passiert ist.«
Trevisan zog die Stirn kraus. »Sagen wir es anders. Wo waren Sie in der Nacht vom 30. auf den 31. Juli?«
Sie überlegte und wischte sich mit der linken Hand die Tränen ab. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Ich kann mich nicht mehr erinnern. Aber ich war eine ganze Woche bis spät in die Nacht damit beschäftigt, meine kleine Wohnung in Hannover zu renovieren.«
»Eine Wohnung? Haben Sie dafür Zeugen?«
Sie verneinte, indem sie vorsichtig den Kopf schüttelte. »Ich war alleine.«
»Eine Wohnung in Hannover … Sind Sie deswegen in der letzten Zeit öfter mal für ein paar Tage aus Pasewalk verschwunden?«, fragte Tina.
»Auf dem Sparbuch haben sich mittlerweile fünfzigtausend Mark angesammelt«, antwortete sie. »Ich wollte einfach irgendwo neu beginnen. Ich habe in Hannover eine Wohnung eingerichtet. Und einen Arbeitsplatz als Putzfrau habe ich ebenfalls gefunden. Und wenn ich mich dort richtig eingelebt habe, dann hole ich Maik zu mir.«
Tina warf Trevisan einen fragenden Blick zu. Er erhob sich. »Hat Hans Kropp weiterhin Menschen nach Deutschland geschmuggelt?«
Jenny zuckte die Schulter. »Ich weiß es nicht.«
»Könnten Ihre Brüder hinter dem Mord stecken?«
Wiederum zuckte sie mit den Schultern. »Ich würde ihnen alles zutrauen. Aber ich wüsste nicht, weshalb sie das tun sollten.«
Sie unterhielten sich noch eine Weile, doch es ergaben sich keine weiteren Aspekte, die auf einen weiteren Ansatzpunkt hindeuteten. Die junge Frau kannte die Hintermänner des Menschenschmuggels nicht und Trevisan glaubte ihr. Schließlich brachen sie die Vernehmung ab. Sie verließen das Gefängniskrankenhaus und tranken in einem nahen Café einen Cappuccino.
»Glaubst du, dass sie es war?«, fragte Trevisan, nachdem er Zucker in die Tasse gegeben hatte und langsam umrührte.
»Auch wenn vieles dafür spricht«, antwortete Tina, »nach der Vernehmung habe ich eigentlich ein anderes Gefühl. Und du?«
Trevisan trank. Ein weißer Schnurrbart bildete sich oberhalb seiner Lippe. Mit der Zunge schleckte er den Milchschaum ab. »Ich habe eigentlich noch nie so richtig an ihre Schuld geglaubt.«
»Was machen wir jetzt?«
Trevisan zuckte mit der Schulter. » Wir nehmen uns noch einmal seine Touren vor. Wie sie selbst gesagt hat: Vielleicht hat er sich mit den falschen Leuten eingelassen … Überprüfe bitte gleich die Adresse in Hannover, von der Jenny Kropp sprach.«
»Fünfzigtausend Mark für Jenny Kropp und seinen Jungen, das ist eine Menge Geld in knapp zwei Jahren«, antwortete Tina.
»Offenbar lag ihm etwas an seiner Exfrau.«
»Oder an seinem Sohn.«
*
Gegen Mittag hatte der Regen nachgelassen. Als es dunkel geworden war und sich seine Mutter zur Ruhe begeben hatte, schlich er sich aus dem Haus. Seine Utensilien waren schnell im Kofferraum verstaut. Er brauchte nicht viel, einen gefüllten Kanister, ein wenig Watte, seine Gummistiefel und eine Reihe Pinsel, die man in jedem Baumarkt für ein paar Mark erhalten
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