Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
kam auf Claire Chance zu sprechen, auf die Bigamie und darauf, dass Nicholas Chance »zwei Ehefrauen« verlassen hatte. Und auf Tante Maude, ihre sich selbst auferlegte Abgeschiedenheit und auf ihren Tod, höchstwahrscheinlich die Folge eines nicht behandelten Diabetes. »Die war total verrückt, wie?«, sagte der Detective und nahm einen Zug von seiner Zigarette, ehe er sich wieder seinen Notizen zuwandte.
    Vermutlich werde nie hundertprozentig zu beweisen sein, sagte er zu Ruby, dass die beiden hier auf dem Friedhof exhumierten Leichen tatsächlich die von Josiah Quinn und Nicholas Chance seien, doch es gebe hinreichende Indizien für die Annahme, dass es sich um die Überreste dieser beiden Männer handele. Josiah Quinn war vermutlich 1918 gestorben, als er Urlaub von der Armee bekommen hatte. Josiah und Maude waren wahrscheinlich in Streit geraten, mutmaßte der Detective, und als Josiah gewalttätig geworden war, hatte Maude ihn erschossen und seine Leiche heimlich begraben. Nach diesem ersten Mord war es ihr wohl nicht mehr allzu schwer gefallen, einen weiteren zu begehen, als zehn Jahre später Nicholas Chance auf dem Bauernhof erschien.

    Nachdem die beschädigte Korvette in den Hafen eingelaufen und er medizinisch versorgt worden war, erhielt Theo einen Monat Urlaub.
    Er setzte sich in Liverpool in den Zug und fuhr Richtung Süden, nach London. Zuerst döste er erschöpft vor sich hin. Als er aufwachte, bot ihm die Frau, die ihm gegenübersaß, eine Tasse Tee aus ihrer Thermoskanne an, und nachdem er getrunken hatte, fühlte er sich gleich besser.
    Ungeschickt, mit nur einem brauchbaren Arm, schlug er die Zeitung auf, die er in Liverpool gekauft hatte. Die Nachrichten vom Krieg waren schlecht, auch wenn die Journalisten sich bemühten, die Tatsachen in einem rosigen Licht erscheinen zu lassen. In den letzten Monaten waren Hongkong, Manila und Singapur gefallen. Große Schlachtschiffe – die Prince of Wales und die Repulse – waren von den Japanern versenkt worden. Theo spürte Wut in sich aufsteigen und Mitleid mit den vielen Seeleuten, die ihr Leben verloren hatten. Die edlen Worte halfen ihnen nach diesen schweren Niederlagen auch nicht mehr, dachte er bitter. Immer dieses »Nach tapferem Kampf gefallen für das Vaterland«…
    Er blätterte um, und seine Aufmerksamkeit fiel auf eine andere Schlagzeile: L EICHENFUNDE AUF ENTLEGENEM B AUERNHOF IN DEN F ENS. Theo begann, den Artikel zu lesen. »Nineveh…Maude Quinn…die Leichen sind aller Wahrscheinlichkeit nach die des ansässigen Bauern Josiah Quinn und seines Schwagers Nicholas Chance…«
    Â»Gott verdammich!«, rief er laut, und die Frau gegenüber starrte ihn entgeistert an.

    Ruhe herrschte auf Nineveh jetzt nicht mehr. Noch mehr Polizisten trafen ein, stapften quer durch das Feld über den Trampelpfad auf den Bauernhof zu und standen in kleinen Grüppchen bei dem Friedhof. Der Detective stellte immer neue Fragen, während seine Kollegen das Bauernhaus und die Nebengebäude durchsuchten. Dann kamen die Journalisten und die Fotografen. Sie parkten ihre Autos bei dem Gebüsch, wo sie Zigaretten rauchten und sich miteinander unterhielten. Gelegentlich lief einer auf dem Trampelpfad zum Haus und machte ein Foto oder bat um ein Interview.
    Tags darauf war es kälter, Nebel breitete sich über das flache Land aus. Die Reporter und die Fotografen zogen sich in ihre Autos zurück. Am Nachmittag kochte Ruby heiße Schokolade für die Polizisten und die beiden jungen Mädchen vom Freiwilligen Hilfsdienst, und sie setzten sich alle in die Küche und wärmten sich die Hände an den Bechern.
    Ruby zog schließlich Mantel und Handschuhe über und ging noch einmal zum Friedhof. Er lag verlassen, doch die Abschirmungen standen noch. Es dämmerte schon, und die Felder um Nineveh herum waren von einem düsteren Grau. Die Gruben, die die Polizisten ausgehoben hatten, waren so tief, dass sie im Dunkel der abendlichen Schatten wie bodenlose Abgründe wirkten. Ruby dachte daran, wie ihr Vater sie immer auf die Schultern genommen hatte, damit sie über die Köpfe der Leute hinwegschauen konnte. Und sie dachte daran, wie er sich nach ihr umgedreht und sie ein letztes Mal angelächelt hatte, als er sie für immer verlassen hatte. Tränen standen ihr in den Augen, und sie hatte Mühe, ihren Schmerz und ihre Trauer nicht laut

Weitere Kostenlose Bücher