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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wenn man all seine Kameraden um sich herum einen nach dem anderen sterben sah.
    Doch dieser Konvoi verlief bislang ruhig. Es war stürmisch, aber hin und wieder legte sich der Wind, und Nebel zog auf. In ruhigen Augenblicken dachte Theo an Ruby und an den Sommer 1940, als er aus Frankreich zurückgekommen war. Es war Ruby gewesen, die er zuerst aufgesucht hatte, nicht seine Familie oder seine Freunde. Sie hatte ein dunkelrotes Kleid getragen, und es hatte ihm beinahe den Atem verschlagen. Er hatte sie eigentlich für diesen Abend zum Essen einladen wollen, doch er war an seinen Platz verwiesen worden. Ihr Terminkalender war viel zu voll, als dass sie Zeit für einen streunenden Finborough gehabt hätte.
    Jahrelang hatte er auf sie gewartet. Aber alles Warten war sinnlos und vergeblich gewesen, weil sie immer noch in Philip verliebt war. Sie brauchte ihn nicht, sie wollte ihn nicht. Für sie würde er nie etwas anderes als ein guter Freund sein, ein Ersatz für den Bruder, den sie nie gehabt hatte. Aber das war ihm nicht genug.
    Dort draußen, in der kalten grauen Ödnis des Atlantiks, erkannte er, dass es an der Zeit war, dem Warten ein Ende zu machen. Er musste Abstand nehmen, er durfte sie nicht wiedersehen. Es war eine Entscheidung, zu der er sich unter Wut, Trauer und Bedauern durchrang; doch er wusste, dass sie richtig war. Und wenigstens in dieser Hinsicht spielte ihm der Krieg einmal in die Hände – es war unwahrscheinlich, dass er noch einmal monatelang Urlaub bekommen würde.
    Eines Morgens sichteten sie ein Aufklärungsflugzeug, das wieder abzog, sobald sie ihre Abwehrgeschütze abfeuerten. In dieser Nacht sanken drei Handelsschiffe des Konvois. Das Wetter wurde noch schlechter, die Wolken verdüsterten sich, und Regen peitschte die See. Am nächsten Morgen spürten sie geradezu, wie die Wölfe sie einkreisten. Dann sichteten sie das Periskop eines U -Boots, und die Verfolgungsjagd begann. Das U -Boot tauchte wieder unter, die Korvette schoss ihre Wasserbomben ab, doch das Fehlen von Trümmern und Ölflecken auf der Wasseroberfläche sagte ihnen, dass sie ihr Ziel verfehlt hatten. Das Schiff blieb den ganzen Tag über klar zum Gefecht, und auf der Brücke hielten sie stets die Augen offen, während sie durch die aufgewühlte See pflügten.
    Ein Steward brachte ihnen Becher mit heißer Schokolade und Rum, die sie wegen des hohen Wellengangs die ganze Zeit in den Händen halten mussten. »Wie die verdammten Nadeln in einem verdammten Heuhaufen«, fluchte der Kapitän.
    Und dann tauchte plötzlich, erschreckend nah, ein U -Boot auf. Die Korvette feuerte – das Kommando musste auf beiden Schiffen ungefähr zur selben Zeit gegeben worden sein. Die Korvette erhielt einen Schuss vor den Bug, ein Schrei, das Krachen von berstendem Glas, und dann drang donnernd ein Riesenschwall Seewasser in die Brücke ein und riss sie alle zu Boden.
    Das Schiff richtete sich wieder auf, sie selbst rappelten sich aus dem Wasser voller Glasscherben hoch, das auf dem Boden der Brücke schwappte. Geschützfeuer flammten auf, dann spülte noch eine Woge über den Bug hinweg und traf sie erneut mit unverminderter Kraft. Das U -Boot konnten sie nicht mehr sehen. Es tauchte wieder unter, und als die Wellen sich über ihm schlossen, wussten sie, dass sie es verloren hatten.
    Der Zwischenfall zeitigte dreierlei Schäden: Ein Kanonier war von dem U -Boot angeschossen worden, eines der Geschütze der Korvette war schwer beschädigt, und Theo hatte ein gebrochenes Schlüsselbein.

    Das Schlimmste von allem war das Warten. Anfangs ließen sie Ruby nicht einmal mit Hannah sprechen. Als sie Hannah ihre Sachen ins Krankenhaus brachte, sagte die Schwester, der Zustand ihrer Cousine sei zwar zufriedenstellend, aber sie dürfe noch keinen Besuch empfangen. Also fuhr Ruby für kurze Zeit zurück nach London, nahm Urlaub von der Arbeit, packte ein paar Kleider in einen Koffer und nahm ihre Lebensmittelkarte mit.
    Dann reiste sie wieder nach Nineveh. Sie erinnerte sich an die Schätze, die Hannah ihr vor Jahren einmal gezeigt hatte, suchte in der Scheune danach und fand die Blechdose hinter einem losen Ziegel versteckt. Der Messingknopf lag noch darin, und als Ruby ihn mit ins Haus nahm, stellte sie fest, dass er zu dem Soldatenmantel passte – er fügte sich ein wie das letzte Teil in ein Puzzle.
    Während der

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