Das Haus in den Wolken
schaffen â, werden Philip und Theo von der Firma nichts wissen wollen. Sie sind â sie haben sich zu weit von mir entfernt. Sie sind zu sehr daran gewöhnt, ihren eigenen Weg zu gehen.«
»Na ja, Rufus ist ja auch noch da.«
»Rufus?« Er lachte. »Bis der Junge alt genug ist, um in der Firma zu arbeiten, bin ich tot. An Ãberarbeitung gestorben.«
»Unsinn«, entgegnete sie. »Du hast noch einige gute Jahre vor dir.«
»Manchmal frage ich mich, wofür das alles.«
»Es geht nicht ums Wofür, Schatz. Es ist eine Reise.«
Schweigen. Dann sagte er: »Neulich musste ich an unsere Urlaube in Cornwall denken. Die Sommer, als immer alle unsere Freunde nach Porthglas kamen.«
»Einmal waren wir dreiÃig Personen. Das ganze Haus war voll, und im Pub in Zennor gab es auch kein Zimmer mehr. Du hast sämtliche Tische, die wir besaÃen, hinausgetragen, und wir haben sie in einer Reihe aufgestellt. Ich habe an einem Ende gesessen, du am anderen.«
»Du hast ausgesehen wie eine Königin. Meine rote Königin.« Er lachte. »Erinnerst du dich, als die Jungs mit dem Boot kenterten?«
»Und du zum Black Rock hinausschwimmen musstest, um sie zu retten? Ich konnte mir nicht vorstellen, wie du sie beide auf einmal zurückbringen wolltest.«
»Philip brauchte nur ein bisschen Zuspruch. Er hatte einen Riesenschrecken bekommen und das Vertrauen verloren. Aber er war immer ein guter Schwimmer. Theo klammerte sich wie ein kleiner Affe an mich.« Richard stand auf und ging langsam zum Flussufer. Er hob einen Stein auf und warf ihn ins Wasser. »Es ist lange her, dass wir so miteinander geredet haben.«
»Manchmal«, sagte sie, »denke ich, wir hätten, als wir jünger waren, ein bisschen mehr reden und ein bisschen weniger miteinander schlafen sollen.«
Er sah sie mit dem Blick an, den sie kannte: überlegt und begehrlich. Und unwillkürlich musste sie an die Nacht während des Bombenangriffs denken. Haut an Haut, zwei Körper, die sich im Einklang bewegten. Körperliche Liebe ohne Ãberlegung und Berechnung, alle Existenz geschrumpft auf einen Punkt reiner Sinnlichkeit von einer Intensität, die ihnen beiden nur noch Atemlosigkeit und Erschöpfung lieÃ.
Sie sah wieder zum Fluss hinunter. Die Schwäne waren zum Mühlteich geschwommen. »Vielleicht haben wir deshalb gestritten«, sagte sie. »Weil wir wussten, dass es im Bett enden würde.«
»Vielleicht.«
Es wurde kühl; sie fröstelte. Englische Sommerabende waren so selten warm. Stimmen hinter ihnen: Isabel drehte sich um und sah Philip, Theo, Ruby und Elaine auf die Terrasse kommen. Doch nach einem Blick auf die Bank am Fluss zogen sie sich alle hastig ins Hotel zurück. Gereizt dachte Isabel: Sogar meine Kinder verschwören sich gegen mich.
An der Hotelbar trank Richard seinen Whisky aus und bestellte einen zweiten. Eine Frau in den Vierzigern, sympathisch â ganz sein Typ, groÃ, dunkel, schlank, in einem grünen Kostüm mit einem toten Fuchs um die Schultern â kam herein. Richard beobachtete den Kellner, der zu ihrem Tisch ging. Nachdem sie bestellt hatte, nahm sie sich eine Zigarette und schaute sich um. Als ihr Blick auf Richard ï¬el, sagte sie gedämpft, mit rauchiger Stimme: »Ich habe anscheinend mein Feuerzeug vergessen.«
Er gab ihr Feuer. »Lieb von Ihnen«, murmelte sie. Und dann: »Wollen Sie sich nicht zu mir setzen?«
Einen Moment war er versucht, dann sagte er: »Ich muss leider weg. Einen schönen Abend.«
Er ging nach oben in sein Zimmer. Er war todmüde, und unter seinen Rippen quälte ihn ein ziehender Schmerz. Vor einigen Tagen war er zu einer Routineuntersuchung beim Arzt gewesen; der hatte die Stirn gerunzelt, als er sein Herz abgehört hatte, und etwas von kleinen UnregelmäÃigkeiten gemurmelt, die ein Zeichen von Schwäche seien. Richard solle den Alkoholgenuss einschränken, sich mehr Ruhe gönnen, abnehmenâ¦
Empört und schockiert darüber, dass auch er nicht unverwüstlich war, hatte Richard den Ratschlägen des Arztes kaum zugehört und den Namen des Herzspezialisten, den er empfahl, umgehend vergessen. Vielmehr hatte er sich nach dem Arztbesuch ins nächste Pub gesetzt. Sich Ruhe gönnen, dachte er ärgerlich, als er sich einen Whisky bestellte â ausgerechnet er, der in seinem Leben nie Ruhe gekannt hatte. Abnehmen,
Weitere Kostenlose Bücher