Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
weiß.» Verlegen senkte Pauline den Kopf, hob ihn aber sogleich wieder. «Ich muss wieder fort. Weit fort. Elmar Schnitzler hat … Er hat …» Sie stockte und biss sich auf die Lippen.
Sogleich spürte sie, wie Julius’ Körper sich anspannte. Seine Miene wurde ernst. «Was hat er getan?»
Unfähig, seinen bohrenden Blick zu erwidern, antwortete sie: «Er weiß alles über mich. Von Bonn und dem Gefängnis und … Er hat gedroht, dass er alles ausplaudern und meinen Ruf ruinieren wird, wenn ich nicht in sein Haus komme, als seine …» Sie brach ab, weil sie das Wort nicht aussprechen mochte.
Julius blickte sie einen langen Moment an. «Also wolltest du vor ihm davonlaufen?»
«Ich gehe so weit fort, dass er mir nichts anhaben kann», bestätigte sie.
Entschieden schüttelte Julius den Kopf. «Er wird dich in Ruhe lassen und deinen Ruf nicht schädigen, Pauline. Nicht, solange ich da bin, um es zu verhindern. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er nicht wagen, auch nur an Derartiges zu denken.»
«Aber er hat mächtige Freunde», wandte Pauline gequält ein.
«Die habe ich auch», knurrte Julius.
Etwas wie Erleichterung wollte sich in Pauline breitmachen, doch noch immer weigerte sich ihr Verstand, ihrem Herzen nachzufolgen. Verzagt starrte sie weiterhin zu Boden. «Und wie geht es jetzt weiter?»
«Sag du es mir.» Sanft hob er ihr Kinn an, bis sie ihm wieder in die Augen blickte. «Was möchtest du, Pauline?»
«Ich …» Ihr Herz raste derart, dass ihr ganz schwindlig wurde.
«Ja?» Ganz langsam näherte sich Julius’ Gesicht dem ihren.
Ihr stockte der Atem. «Ich will …»
«Was, Pauline?» Seine Lippen waren nur noch wenige Fingerbreit von den ihren entfernt.
«Hierbleiben», brachte sie mit letzter Kraft hervor und rang nach Atem, als er sie küsste.
Als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten, atmeten sie beide schwer. Lächelnd blickte er auf sie herab. «Sie möchten also hierbleiben, Fräulein Schmitz? Nun, da gibt es aber ein Problem.»
Atemlos sah sie zu ihm auf. «Und das wäre?»
Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. «Die Stelle der Gouvernante ist leider nicht mehr vakant.»
Verwirrt runzelte sie die Stirn. «Warum …?»
«Weil ich beschlossen habe, dass diese Stellung überflüssig wird, sobald ich eine andere besetzt habe.»
«Eine andere?»
«Jawohl. Jedoch eine, die große Willens- und Charakterstärke voraussetzt, denn wie du weißt, bin ich nicht der einfachste und sanftmütigste Mensch. Es bedarf schon besonderer Fähigkeiten, auf Dauer mit mir auszukommen.» Er küsste sie noch einmal. «Die Stellung, die ich dir anzubieten habe, ist die als meine Ehefrau. Heirate mich, Pauline Schmitz – ohne Wenn und Aber.»
Pauline glaubte erst, sich verhört zu haben. Dann aber hatte sie das Gefühl, ihre Brust müsse vor Freude zerspringen. Endlich schien sich auch ihr Kopf mit ihrem Herzen einig geworden zu sein. Sie lehnte sich an ihn. «Ich liebe dich», sagte sie und spürte gleichzeitig dem wunderbaren Gefühl des Friedens nach, das sich in ihr ausbreitete.
Seine Augen begannen zu strahlen, als er sie noch fester an sich zog. «Heißt das ja?»
Sie atmete tief ein. «Ja.»
«Kein Aber?»
Sie schüttelte den Kopf. «Nein, kein Aber.»
Ihre Lippen trafen sich erneut zu einem innigen Kuss, der schon bald dazu führte, dass Leidenschaft zwischen ihnen aufflackerte. Pauline spürte, wie sich Julius’ Hände auf Wanderschaft über ihren Körper begaben und bis hinunter zu ihrer Hüfte strichen. Er zog sie fester an sich und vertiefte den Kuss.
Unvermittelt wurden sie von einem verhaltenen Hüsteln unterbrochen. Pauline zuckte heftig zusammen und wollte sich von Julius losmachen, doch das ließ dieser nicht zu. Gleichzeitig wandten sie die Köpfe und sahen sich Ricarda und Peter gegenüber, die sich leise in die Bibliothek geschlichen hatten.
Ricarda spielte sichtlich verlegen mit dem struppigen Ende ihres Zopfes, doch in ihren Augen glitzerte es freudig. «Fräulein Schmitz? Bleiben Sie jetzt doch hier?»
«Für immer?», setzte Peter hoffnungsvoll hinzu.
Pauline blickte zu Julius, und noch ehe sie eine Antwort geben konnte, spürte sie erneut seine Lippen auf ihrem Mund, doch nur für einen Moment, dann sagte er lächelnd zu seinen Kindern: «Das wird sie. Diesmal lasse ich sie nicht mehr fort.»
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Kapitel 30
15 Monate später
Liebste Freundin,
zu Ihrer Niederkunft gratuliere ich Ihnen ganz herzlich! Sie glauben
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