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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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ihr Fuß dabei auf und ab, und sie summte leise die Melodie mit.
    «He, Prinzessin, träumst du schon wieder?» Mit einem frechen Grinsen stieß Heiner Pauline den Ellenbogen in die Seite.
    Pauline zuckte erschrocken zusammen, fing sich jedoch rasch wieder. «Das Lied, das Fräulein Christine da singt, ist eines meiner Lieblingslieder. Ich habe es meinem Onkel so oft vorgesungen, und auf Gesellschaften …» Sie stockte. Es war nicht angebracht, Heiner von ihrem früheren Leben zu erzählen. Insbesondere weil diese Zeit für sie auf immer verloren war.
    «Du kannst singen?» Heiners Interesse schien geweckt.
    Abwesend nickte Pauline. «Ja, sogar recht gut.»
    «Tanzen auch? Ich mein, so wie die feinen Herrschaften mit Menuetten und Polonaisen und all so was?»
    Wieder nickte Pauline. «Ich hatte Unterricht in allen modernen Tänzen.»
    «Du? Unterricht?» Heiner lachte. «Warum bist du dann nicht beim Zirkus?»
    «Wie bitte?»
    «Mensch, Prinzessin, erzähl doch nicht solche Geschichten! Am Ende glaubt dir noch jemand. Tanz- und Singunterricht kriegen doch nur reiche Leute.» Unvermittelt veränderte sich Heiners Gesichtsausdruck. Neugierig musterte er sie von oben bis unten. «Oder bist du am Ende eine von denen gewesen? Das würde erklären, warum du so zimperlich und verwöhnt bist.»
    «Ich bin nicht zimperlich und verwöhnt!», protestierte Pauline.
    «Doch, bist du», erwiderte Heiner. «Glaubst du, wir nennen dich umsonst Prinzessin?» Er machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. «Ich dachte erst, dass du einfach faul bist und dich vor der Arbeit drücken willst. Aber so … Warum bist du nicht mehr reich?»
    Pauline senkte den Kopf. «Ich war niemals reich.»
    «Aber reich genug für feinen Gesang und Tanz.»
    «Mein Onkel hat dafür gesorgt, dass ich eine gute Erziehung erhielt. Aber nun ist er tot, und …»
    «Und von einer guten Erziehung allein kann man nicht leben», vervollständigte Heiner ihren Satz. «Er hätte dir mal besser was Praktisches beigebracht. Zum Beispiel, wie man richtig Feuer macht und Zimmer putzt. Tine beschwert sich schon dauernd über dich. Wenn du so weitermachst, wird die Gnädige dich nicht fest einstellen.» Er zögerte. «Bist du deswegen auch schon bei deiner letzten Stellung rausgeflogen?»
    «Nein, ich …» Pauline biss sich auf die Lippen. «Darüber möchte ich nicht sprechen.»
    «Warum nicht?» Neugierig hob Heiner den Kopf.
    Ein unangenehm zerrendes Gefühl machte sich in Paulines Magengrube breit. «Weil es dich nichts angeht!», antwortete sie harscher als nötig und wandte sich ab. Sie umfasste das leere Tablett fester und straffte die Schultern, dann trat sie in den Salon.
    «Pauline!» Kaum hatte sie den Raum betreten, als auch schon Frau Stein nach ihr rief. «Da bist du ja endlich! Hier, bring die Kaffeekanne in die Küche und lass sie umgehend auffüllen. Und bring auch noch von dem Gewürzkuchen mit.» Sie wandte sich an einen ihrer weiblichen Gäste: «Nicht wahr, Elise, der Kuchen ist von ausgesuchter Qualität. Unsere gute Mathilde benutzt nur die besten Gewürze.»
    «Ganz hervorragend», stimmte die Angesprochene zu und tupfte sich geziert mit einer Serviette über die Lippen. Dabei musterte sie Pauline unverhohlen aus kühlen, grauen Augen, die den gleichen Farbton aufwiesen wie ihr aufwendig frisiertes und aufgestecktes Haar unter der seidenen Haube.
    Pauline knickste höflich und zog sich eilig zurück. Während sie in Richtung Küche eilte, hörte sie die beiden Frauen über sie sprechen.
    «Ist das Ihr neues Mädchen? Sie scheint ein bisschen langsam zu sein.»
    «Ja, leider, meine Liebe. Aber vielleicht macht sie sich ja noch. Man sagt doch, dass die Mädchen aus der Eifel so tüchtig sind.»
    «Wenn sie sich bis zum Ende der Probezeit nicht gebessert hat, dann werfen Sie sie schnellstens wieder hinaus», empfahl Elise Schnitzler. «Es gibt nichts Schlimmeres als faules oder einfältiges Dienstpersonal. Das ist hinausgeworfenes Geld, meine Liebe. Und wo Stroh drin ist, kann kein Gold herauskommen, sag ich immer.»
    Pauline rannte beinahe in die Küche, stellte die Kanne ab und füllte sie mit dem frischgebrühten Kaffee wieder auf. Mathilde hatte bereits geschnittenen Kuchen auf dem großen Tisch vorbereitet, sodass Pauline die Platte gleich mitnehmen konnte.
    Faul und einfältig. Mit aller Macht drängte sie die aufsteigenden Tränen zurück, während sie zurück in den Salon eilte, um Kaffee und Kuchen zu servieren. Frau Stein bat sie,

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