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Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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riesengroßen Augen angesehen hatte, als hielte Lydia die Antworten auf alle Fragen des Lebens parat. Lydia erinnerte sich, wie sie die winzige Hand abgeschüttelt hatte, aus Furcht, aus der übermächtigen Furcht, dass die Antworten, die sie in ihrem kurzen Leben gefunden hatte, ihre Tochter zerstören könnten.
    Sie fädelte sich in die Abbiegerspur ein, um über die Chain Bridge nach Washington D. C. zu fahren. „Es wird nicht langedauern. Heute kann ich ohnehin nichts tun. Ich muss mir nur einen Überblick verschaffen. Warum ist das alles ausgerechnet jetzt passiert? In ein paar Wochen fängt das Studienjahr an, und bis dahin können größere Reparaturen nicht mehr erledigt werden. Wahrscheinlich finde ich erst zum zweiten Semester neue Mieter.“
    „Ich wünschte, du würdest das Haus einfach verkaufen“, sagte Faith. „Ich habe nie begriffen, warum du es behältst.“
    „Dieses Haus gehört unserer Familie seit seiner Erbauung, und eines Tages wirst du es besitzen. Hoffentlich wird Remy es irgendwann erben.“
    Faith beugte sich zu ihrer Mutter hinüber. „Es ist den Schmerz nicht wert, den es verursacht.“
    Lydia bremste ab und überquerte die Brücke im Schritttempo, in einer Autoschlange, die sich bis ins Herz der Hauptstadt fortzusetzen schien. Dann zwang der Stau sie zum Halten. „Du verstehst es wirklich nicht, was?“
    „Sorry, nein.“
    Lydia wandte sich ihrer Tochter zu. „Die Prospect Street war der Ort, an dem ich deine Schwester zuletzt gesehen habe. Wie könnte ich dieses Haus an Fremde verkaufen, Faith? Wie könnte ich das je tun?“

3. KAPITEL
    Das Reihenhaus in der Prospect Street war im modifizierten Federal-Stil aus rotem Backstein gebaut – aber diese Klassifizierung wurde ihm nicht gerecht. Es war gut ein Jahrhundert alt, hatte wechselnde politische Verhältnisse überlebt und lehnte sich behaglich an seine Nachbarn – wie eine alte Dame der besseren Gesellschaft, die sich nur unter ihresgleichen im Frauen-Club so richtig wohl fühlt.
    Auf Faith übte das Haus eine dunkle Anziehungskraft aus. Sie war selten hier gewesen, aber jeder Besuch hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In ihrer Kindheit waren ihr die Decken so hoch wie Wolken erschienen. Als Teenager war ihr dieses Denkmal der Tragödie, die ihre Familie heimgesucht und sie selbst ein für alle Mal „anders“ gemacht hatte, unangenehm gewesen. Als junge Mutter hatte sie mit ihren Kindern stets einen großen Bogen um Georgetown gemacht, da sie nicht daran erinnert werden wollte, dass man letzten Endes herzlich wenig Kontrolle über das Schicksal seiner Liebsten besaß.
    „Ich bin schon sehr lange nicht mehr in der Prospect Street gewesen“, erklärte Faith ihrer Mutter, die zum Glück nur anderthalb Blocks vom Haus entfernt eine Parklücke gefunden hatte und den Wagen nun hineinmanövrierte.
    „Du hattest auch keinen Grund.“
    „Alex und Remy kennen es noch gar nicht von innen, oder?“ Sie sah ihren Sohn und ihre Tochter an und versuchte, vergnügt zu klingen. Remy verdrehte die Augen. Alex’ Miene hellte sich bei der Aussicht, dem Auto für eine Weile zu entkommen, allmählich auf.
    „Darf ich schon aussteigen?“ wollte er wissen.
    Faith überraschte die Frage ihres Sohnes, und sie verbuchte sieals eines der wenigen guten Zeichen dieses Tages. „Wenn du in unserer Nähe bleibst. Keine Expeditionen!“ Sie zuckte zusammen, als seine Autotür über den Bordstein schabte.
    „Ich gehe nicht mit rein“, sagte Remy. „Ich muss Megan anrufen. Kann ich dein Handy haben?“
    „Darf ich“, verbesserte Lydia sie. „Und du wirst mit hineinkommen, Remy. Ich will nicht, dass du hier alleine herumhockst. Wir sind in der Stadt, und hier sitzen hübsche Mädchen nicht allein in Autos und warten auf Gott-weiß-wen.“
    Faith war eigentlich anderer Meinung. Georgetown wurde von weit weniger Verbrechen heimgesucht als die Innenstadt von Washington, und es liefen so viele Leute die Prospect Street entlang, dass ein Schwerverbrechen am helllichten Tag sehr unwahrscheinlich zu sein schien.
    Sie versuchte zwischen Lydia und Remy zu vermitteln. „Sobald wir drinnen sind, bekommst du das Handy. Oder du setzt dich auf die Eingangstreppe, wenn deine Großmutter damit einverstanden ist.“
    „Sie wird mit uns zusammen hineingehen.“ Lydia öffnete die Fahrertür und lief auf das Haus zu.
    „Warum müssen wir immer nach ihrer Pfeife tanzen?“ fragte Remy ihre Mutter.
    „Remy, werde bitte nicht unhöflich.“
    „Ach,

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