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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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Keine von beiden Rollen ist beneidenswert.“ Unsagbar müde glitt der Kanal zu Boden, wo er gleich einem weggeworfenen Spielzeug gegen die Stangen gelehnt saß.
    Valleroy sagte nichts. Wieder geriet seine Welt aus den Fugen. Er hatte gelernt, Klyd zu vertrauen. Dann hatte er gelernt, ihn zu hassen. Jetzt fragte er sich, ob er nicht selbst derjenige war, den er hassen sollte. Er wußte, um was es bei einem Kriegskommando ging. Er sagte: „Aber sie war noch ein Kind …“
    „Sie war ein Soldat im größten und längsten Krieg, den die Menschheit je geführt hat. Und wenn er vorbei ist, so wird man ihrer in meiner Familie gedenken, und wir alle werden sie angemessen ehren – für immer. Das verspreche ich.“
    Gegen seinen Willen spürte Valleroy, wie ihn Klyds idealistische Vision von neuem in den Bann zog. Das Schlimmste dabei war, daß sie die Erinnerung daran zurückbrachte, was Klyds Tod hinsichtlich Zelerods Weltuntergang für eine Bedeutung haben würde; das brachte auch einen Teil von Valleroys Lebenswillen zurück.
    „Hugh, verstehst du denn nicht? Ich konnte ihren Tod nicht sinnlos sein lassen. Ich mußte soviel wie möglich daraus lernen.“
    „Lernen? Was? Daß Simes Gens töten?“
    „Nein. Warum Simes überhaupt »töten«? Wenn ich wüßte, was es ist, das den Nichtgetrennten zum Töten veranlaßt, so könnte ich vielleicht lernen, diese Eigenschaft für ihn zu simulieren. Dann wäre es leichter, Simes dazu zu bringen, sich abzutrennen. Vielleicht könnten wir diese Technik eines Tages so gut beherrschen, daß es angenehmer wäre, zu einem Kanal zu gehen, als zu töten.“
    Wieder Visionen. Valleroy widerstand diesem Zerren an seiner Vorstellungskraft. „Es würde keine Rolle spielen. Ihr wäret noch immer als Perverse verdammt.“
    „Perverse sind schlüpfrig. Wenn Perversion für die Mehrheit normaler Leute billig, gewinnbringend und emotional zufriedenstellend ist, dann breitet sie sich aus, bis sie die Norm ist. Kannst du dir vorstellen, wie diese Welt aussehen würde, wenn das Töten als pervers angesehen wäre?“
    „Und all das wolltest du lernen, indem du einer Tötung zusahst?“
    „Es war eine Gelegenheit, die ich nicht sehr oft bekomme. Ich hätte eine Menge mehr lernen können, wenn es mir erlaubt gewesen wäre, alles aus nächster Nähe zu beobachten. Aber ich war nicht in der Verfassung, das zu tun. Und jetzt bin ich in einer noch schlimmeren Verfassung.“
    Als Valleroy den Kanal jetzt mit anderen Augen betrachtete, sah er ein abgezehrtes, tief gefurchtes Gesicht, die Augen in dunkel gefärbten Abgründen der Verzweiflung eingesunken. „Ich habe nicht einmal bemerkt, was sie dir angetan haben.“
    Klyd zuckte mit den Schultern. „Sie haben mich ziemlich gut behandelt. Wenn sie mich unterwegs zur Raserei getrieben hätten, dann hätte ich eine Menge Schaden anrichten können, bis sie in der Lage gewesen wären, mich zu töten. Aber sie haben sich jede erdenkliche Mühe gegeben, zu zeigen, wie gut sie für dich sorgen. Wiederholt haben sie mir versprochen, daß ich dich haben würde, sobald wir angekommen seien, und damit haben sie diese Verzweiflung gebändigt. Standardverfahren.“
    „Sie haben versprochen, daß wir …“
    „Oh ja. Aber ich habe es nicht wirklich geglaubt. Und ich hatte recht. Siehst du nicht, was sie vorhaben?“
    „Damit, daß sie uns nahe zusammensperren, aber nicht nahe genug zum Berühren? Mein Feld muß dich verrückt machen.“
    „Tut es auch.“ Die entfernte Sanftheit seiner Stimme unterstrich die heftige Empfindung so, wie dies kein Vorzeigen von Qual gekonnt hätte. „Und sie werden kommen, um dem Schauspiel zuzusehen.“
    „Wie lange noch, bis …?“
    „Ich weiß es nicht. Ich habe bereits die schwere Not, aber noch stehen mir für ein paar Tage Selyn-Reserven zur Verfügung. Ich werde lange vor dem Tod die Beherrschung verlieren. Hast du jemals eine Auszehrung miterlebt?“
    „Ein- oder zweimal. In der Armee. Gefangene.“
    „Gewöhnliche Simes. Schrecklich genug, aber schnell. Dies hier … wird nicht schnell gehen.“
    Valleroy war nicht der Meinung, daß die Leiden, deren Zeuge er gewesen war, schnell beendet gewesen waren. Er war wegen der Erschießung des zweiten Simes, den sie gefangengenommen hatten, degradiert worden. „Vielleicht passiert etwas zu unseren Gunsten. Wir sind bald fällig für etwas Glück.“
    „Wer gibt sich jetzt vagen Hoffnungen hin?“
    Valleroy lachte, aber es kam zu rauh heraus. „Schuldig, General, Sir.

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