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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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versetzt, daß zwischen den Stangen kaum Platz freiblieb.
    Die Decken und Böden waren aus festem Metall. Die gesamte Einheit war auf stummelartige, mit Rollen ausgestattete Beine montiert und sah ganz wie ein Zirkus wagen aus.
    Die Wachen stellten eine Leiter am Kopfteil einer Käfigeinheit auf und trieben die Gefangenen einzeln hinauf. Der vorderste Wächter wählte aus einem klingenden Bund einen Schlüssel aus, der wie die anderen des Bundes einen numerierten Anhänger trug. Dann zog er eine Falltür im Dach des Käfigs auf. Zwei der anderen Wachen hievten Valleroy in das Loch hinunter. Dann ließen sie los. Er fiel einen Meter tief auf eine kalte Metallplattierung, wo er benommen liegen blieb, weil sein geschwollener Knöchel grellen Schmerz durch seinen Körper jagte.
    Bis Valleroy seine Sinne wiedergefunden hatte, war Klyd im benachbarten Käfig eingesperrt, und alle Wächter bis auf den letzten waren gegangen, nachdem sie rings um die Käfigseiten bewegliche, durchsichtige Tücher aufgezogen hatten. Kurz darauf begannen Öffnungen im Boden heiße Luft in die Käfige zu blasen. Valleroy setzte sich hin, massierte seinen Knöchel und blickte sich um.
    Das Innere des Käfigs war kahl, jedoch sauber. Die drei versetzt angebrachten Reihen von Stangen, die sein Abteil von den benachbarten trennten, boten beinahe eine Art Abgeschiedenheit, doch ohne die Wirkung einer Einzelzelle. Die Abstände zwischen den Stangenreihen maßen hier volle zwanzig Zentimeter. Sie waren so dicht aneinander gestellt, daß höchstens das Handgelenk eines Kindes zwischen sie passen mochte. Es gab keine Möglichkeit, daß Insassen benachbarter Käfige ihre Käfige zu einer Flucht vereinigen konnten.
    „Hugh! Komm her!“
    Das kaum hörbare Flüstern des Sime zerrte an Valleroys Nerven. Sein erster Impuls war, sich in die hinterste Ecke seines Käfigs zurückzuziehen. Aber bevor er sich bewegen konnte, fragte Klyd: „Ist dies Aisha?“
    Das brachte Valleroy sich selbst zum Trotz auf die Füße. Er hatte ganz vergessen, daß sie irgendwo in diesem Lager sein mußte. Er schlurfte an die Stangen heran und sah den Kanal in den Käfig rechts von sich starren. Valleroy schloß ein Auge und bewegte sich hin und her, bis er eine schmale Sicht in den Käfig bekam, der nur eine Ecke mit seinem gemeinsam hatte. Wie auch immer, es genügte. Diese cremebraune Stirn, die gerade Nase und die unverwechselbaren Augenbrauen waren charakteristisch. Ihre Nachbarin war tatsächlich Aisha Rauf.
    Doch sie lag da wie bewußtlos, ein knochenloser Haufen auf dem nackten Boden. Sie hatten sie endlich gefunden, aber es würde nichts nützen. „Sie ist tot!“ platzte Valleroy trotz seines Widerwillens, mit dem Kanal zu sprechen, heraus.
    „Nein. Sie lebt, aber offenbar hat man sie unter Drogen gesetzt. Wenn sie aufwacht, wird sie mich fürchten, und die Menschenjäger werden zusammenkommen, um das Schauspiel der Schmach eines Kanals zu beobachten.“
    „Dafür ist sie zu schlau. Du kannst nicht an sie herankommen, und außerdem bist du ebenfalls ein Gefangener. Wenn es das ist, was sie erwarten, dann steht ihnen eine Enttäuschung bevor.“
    „Da bin ich mir nicht so sicher. Ich bin nur menschlich. Mit dir so nahe, doch unerreichbar, könnte ich noch vor dem Dunkelwerden zerbrechen.“
    „Vielleicht genieße ich es, dich sterben zu sehen, so wie du es genossen hast zuzusehen, wie dieses arme Kind ermordet worden ist.“
    „Niemand hat dieses Mädchen ermordet. Sie hat Selbstmord begangen.“
    „Das ist richtig. Winde dich heraus. Verdreh die Worte. Mir ist es gleich, wie du es nennst. Ich habe die Miene auf deinem Gesicht gesehen!“
    „Und was hast du in dieser Miene gesehen?“
    „Neugier. Interesse. Ein kalter, berechnender Zuschauer bei einem … einem … Zirkus!“ All der Ekel quoll von neuem in Valleroy empor und ließ ihn vor Abscheu und Selbstmitleid zittern.
    „»Neugier«, »Interesse«, »Berechnung« … das will ich zugeben. Aber ‚kalt’ … nein. Niemals. Der Unterschied zwischen dir und mir ist, daß ich einen Krieg führe, während du ein Flüchtling vor diesem Krieg bist. Jeder Offizier im Generalsrang nimmt in Kauf, daß einige aus seinen Truppen sterben müssen, wenn alle den Sieg erringen sollen. So sehr er das vielleicht auch will – er kann nicht versuchen, jedes beliebige Individuum zu ungunsten der Sache zu retten. Der Flüchtling lebt nur für sich selbst und muß die Reste seines eigenen Überlebens in Sicherheit bringen.

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