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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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zeichnen, das sich Hrel im Augenblick der Entscheidung angeboten hatte.
    Als das Lob für seine Arbeit anstieg, bildeten die Leute Schlangen und wollten ebenfalls gezeichnet werden. Es war schon viele Jahre her, seit er mit solcher Schmeichelei überhäuft worden war, und er schwelgte darin. Doch alle paar Augenblicke spülte kalte Schuld die Wärme leichten Zugehörigkeitsgefühls davon, wenn er an Aisha dachte … dort draußen, gefangen in einem schmutzigen Verschlag. Er war ein Detektiv, und er hatte eine Rolle zu spielen. Er spielte sie mit einer verbissenen Fröhlichkeit, die manchmal echt war.
    Als die Dämmerung den Himmel bleichte, war Valleroy dabei, Cartoons zu zeichnen, während Evahnee sie simelisch untertitelte. Scherze flogen im Raum umher und ließen die Opfer in schallender Heiterkeit nach Luft schnappen. Die meisten der Pointen waren auf eintönige Weise simelisch, und wenn Valleroy doch lachte, so wußte er, es war an der falschen Stelle gewesen – aber Lachen an sich ist ansteckend.
    Als sich das lustige Treiben schließlich auflöste, war er so erschöpft, daß ihn Evahnee in einem Rollstuhl in sein Zimmer zurückfahren mußte. Er erinnerte sich nicht mehr daran, wie er ins Bett kam.

 
Feleho Ambrov Zeor, Märtyrer
     
     
     
    Während der nächsten Woche arbeitete Valleroy an einem Zeichentisch im Gestaltungsraum einer Haushaltsfabrik. Die Gebäude, welche die Webereien, die Fabrik, Färbereien und die Industrie-Anlagen von Zeor beherbergten, waren ein separater Komplex, in einiger Entfernung von den Hof-Wohngebäuden gelegen.
    Zeor, entdeckte er, lebte vom Weben. Einmal im Jahr traten alle Weber im Territorium in einen Entwurfs-Wettbewerb, der in der Stadt Arensti durchgeführt wurde, wobei der Sieger nicht nur Prestige gewann, sondern auch den größten Anteil von Verkäufen während des kommenden Jahres.
    Als der Arensti-Gestalter fand sich Valleroy in einer Stellung von großem Ansehen innerhalb des Haushalts. Er wurde von der Krankenstation ins Junggesellenquartier verlegt, wo er eine Wohnung mit zwei Simes und einem Gen teilte. Kleider wurden ihm gegeben, blaue Overalls mit Zeors Wappen sauber über der Brusttasche eingestickt, und nie wurde er gefragt, ob er ein Besucher oder ein Mitglied sei, sondern einfach als Mitglied behandelt, wenn auch nie als solches angesprochen.
    Er fand, daß dieses in ihn gelegte unschuldige Vertrauen eine ernste Last für sein Gewissen darstellte, und deshalb arbeitete er unablässig daran, ein Siegesmuster zu entwerfen. Stundenlang brütete er ununterbrochen über den Reihen vergangener Arensti-Siegerarbeiten. Er streifte auf dem Gelände umher, fragte Simes über Dinge ihres Geschmacks aus und verglich ihre Antworten mit den Meinungen von Gens des Haushalts. Und er skizzierte. Oft bis weit in die frühen Morgenstunden hinein skizzierte er.
    Und so geschah es, daß er eines späten Vormittags von seinem Zeichentisch im Fabrik-Komplex zurückkehrte. Es war zu spät für das Frühstück, zu früh für das Mittagessen und ein zu schöner Vormittag zum Schlafen, deshalb schlenderte er in einen Teil des Geländes hinaus, wo er noch nicht gewesen war.
    Der Biß von gelegentlichem mildem Frost hatte die Blätter in lebhafte Lobgesänge von Farben verwandelt, die ergreifende Erinnerungen an träge Herbsttage heraufbeschworen, welche er mit Aisha herumbalgend verbracht hatte. Er hatte rotgoldene Blätter in ihr glänzendes schwarzes Haar geflochten und malte sie nackt unter Kaskaden von Reif überzogenen Zweigen. Und er hatte sie geliebt. Ewig.
    Er ging einen mit gebogenen Zweigen überdachten und mit verblassender Farbe ausgelegten Tunnel entlang. Als er durch Blätterhaufen schlurfte, konnte er fast ihre Hand in der seinen fühlen. Der baumgesäumte Pfad schien zu einer vielversprechenden Zukunft weiterzuführen.
    Er versuchte sich vorzustellen, was sie sagen würde, wenn sie in diesem Moment bei ihm wäre. Fast konnte er hören, wie ihre frauliche Stimme von kindlichem Staunen erfüllt war. „Woher kommt das Rot in den Blättern? Wohin verschwindet das Grün? Warum bringen andere Blätter andere Farben hervor? Warum sind manche hübscher als andere? Glaubst du“, würde sie sagen, „das Rot ist immer da, überdeckt vom Grün – die Berührung des Frostes wie der Kuß eines Simes – und das Rot wie der Sime in uns allen, in verschiedenen Etappen freigesetzt durch unsere verschiedenen Reaktionen auf den Kuß – und die schönen Jahre sind nur eine Vorschau

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