Das Haus Zeor
bestehen. Er fand sich unvermittelt gegen die Wand gepreßt und atmete die Wärme des Sime-Atems. „Naztehr, du bist es, der kein Gefühl hat! Oder ist es so, daß du haßt, wofür ich stehe, daß du mich zwingen willst, dich im Tötungs-Modus anzugreifen? Du könntest das, wie du weißt. Ein Gefährte hat diese Macht. Aber wenn du es tust, dann machst du dich besser bereit!“
Klyd ließ ihn daraufhin los, und Valleroy fühlte sich wie eine alte Lumpenpuppe, die man in sich zusammenfallen ließ. Klyd wandte ihm den Rücken zu, schritt zum Feuer und legte Holz auf. Im Plauderton sagte er: „Ich weiß nicht, wie es mit dir steht, aber ich bin hungrig.“
„Ich dachte, Not unterdrückt den Appetit.“
„Ich habe eine Menge Blut verloren. Der Körper verlangt nach Ersatzmaterial.“
Da Valleroy noch immer die wild aufeinanderprallenden Emotionen in sich bekämpfte, war er unfähig zu antworten. Er wollte sich für sein Benehmen entschuldigen, und er wollte seine Sachen aufheben und gehen. Er verstand, daß Klyd verzweifelt versuchte, sich normal zu verhalten, aber er wünschte fast, der Kanal hätte ihn angegriffen und es hinter sich gebracht.
Klyd drehte sich um, wobei ein wehmütig verstehendes Lächeln seine Lippen schürzte … jene schrecklich ausdrucksvollen Farris-Lippen. „Wir wär’s mit einem Mittagessen, Naztehr? Es ist fast Zeit zum Abendessen.“
Das brach das Eis. „Du hast noch kein Frühstück gehabt. Es tut mir leid, Sectuib. Ich setze den Kessel auf.“
„Gut. Ich will nicht, daß du mit leerem Magen gehst.“
„Willst du noch immer, daß ich gehe?“
„Nicht wenn du lernst, dich zu benehmen.“
„Dieser aufgebrochene Buchweizen ergibt zusammen mit den Äpfeln ein schönes Frühstück.“
„Warum hast du ihr nicht gesagt, wie sehr du sie liebst?“
„Wie hast du …?“
„Erfahren, daß du sie zu verlieren fürchtest? Gen-Psychologie ist eines meiner Spezialgebiete. Vor ein paar Minuten war ich nicht sehr professionell.“
„Das passiert eben, wenn man es persönlich mit einem Patienten zu tun hat!“
„Ich würde es gern wiedergutmachen. Ich würde sie gern für dich retten. Aber das kann ich im Moment nicht.“
„Weißt du“, sagte Valleroy, als er sich seinem Partner gegenübersetzte, „ich war auch nicht sehr professionell. Ich habe Yenava vergessen. Sie ist ein genauso guter Grund, nach Zeor zu gehen, wie Aisha es ist, das Runzi-Lager zu suchen. Auch wenn ich dieses Lager wirklich finden würde, ich wäre nicht in der Lage, etwas auszurichten – nicht allein. Deshalb brechen wir nach Zeor auf, sobald wir gegessen haben.“
„Nein. Wir werden hier übernachten. Das Tal wird heute nacht mit Runzi überflutet sein. Doch bis zum Morgen müßten sie verschwunden sein. Mit etwas Glück müßten wir es immerhin bis zum morgigen Sonnenuntergang schaffen.“
„Aber jede Stunde, die wir länger hierbleiben, bedeutet, daß Andle …“
„Wir können nicht in der Nacht wandern, nicht einmal bei einem Dreiviertelmond. Außerdem weiß Andle nicht, daß wir seine Pläne mit Aisha kennen. Ich möchte den Versandbehälter wieder verschließen und ihn neben dem Leichnam des Boten zurücklassen. Wissen ist oft der entscheidende Vorteil in einem Machtstreit.“
Da Valleroy mit sich selbst nicht im reinen war, wußte er darauf nichts zu antworten. Er nahm ein stumpfes Tafelmesser, kerbte Apfelstücke aus und ließ sie in den Brei fallen. Er war hungrig und schwach von Tagen knapper Rationen. Morgen würde es nicht viel besser sein.
Klyd brauchte mehrere Stunden, um den Zylinder wieder so zu verschließen, daß er aussah, als wäre er nicht geöffnet worden. Für die hitzeversiegelnde Substanz gab es einen schwierigen Kunstgriff, der sie veranlaßte, ihr vorheriges dekoratives Muster wieder anzunehmen. Valleroy staunte über die Geduld und die ruhigen Hände, die Klyd willentlich aufbringen konnte. Der Mann arbeitete wie ein Uhrmacher ohne eine Sorge um die Welt, während Valleroy auf und ab schritt und den Ärger förmlich spüren konnte, der aus verschiedenen Richtungen auf sie zukam.
Nach ein paar Stunden warf sich Valleroy auf seine Decke. So sehr er auch wünschte, unterwegs und auf Aishas Fährte zu sein – er wußte, daß Klyd recht hatte.
Aber daß es richtig war, machte es auch nicht erträglicher zu akzeptieren. Er schlief ein und träumte unruhig von Aishas Hinrichtung.
Gefangennahme
Valleroy wußte, daß es ein Traum war. Doch es war auch real.
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