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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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Aisha stand vor ihm, in hauchdünnes Weiß gehüllt, Kragen und Kette ein leuchtendes Rot in einer unendlichen Nacht. Ihr dunkles Haar floß zu einer aufsteigenden Wolke um ihr furchtgebleichtes Gesicht, als treibe sie ins Wasser. Ohne sein Wollen streckten sich seine Arme nach ihr aus. Er sah seine Arme wie zum erstenmal … mit Tentakeln!
    Er fühlte eine spürbare, pulsierende Aura um sie herum, die ihn anzog. Er wußte, daß es sie töten würde, aber er mußte diese Aura verzehren. Seine Finger berührten ihre Arme. Seine Tentakel verlangten schmerzhaft nach Kontakt. Aber als sie sie berührten … .
    Ein Ruck. Er war wieder er selbst – und sah zu, wie Klyd Aisha tötete.
    Ein Ruck. Nein, Enam war es, der Aisha tötete, Enam, mit wilden Augen und erschreckend verzerrtem Gesicht. Sie strengte sich an, ihre Angst zu beherrschen – und verlor.
    Er rannte und kämpfte gegen eine bleierne Erschöpfung an … wollte Aisha retten … verlor sie wegen der Schwäche seines Körpers. Er weigerte sich anzuhalten. Er weigerte sich aufzugeben, ganz gleich wieviel Mühe es ihn kostete, einen Zoll zu gewinnen.
    Er sah Tentakel um ihre Arme gewickelt. Er strengte sich an, mit schmerzender Brust, das Gesicht zu einer grotesken Fratze verzogen, obwohl er nicht wußte, was er tun würde, wenn er sie erreichte.
    Ein Ruck. Wieder war er es, er selbst, der Aisha tötete. Er konnte es nicht verhindern. Er konnte sich nur dabei beobachten, wie er es tat.
    Plötzlich verwandelten sich die Gen-Arme unter seinen Tentakeln. Sie wurden zu Sime-Armen, die Tentakel schossen hervor, verbanden sich mit seinen eigenen. Ihr gegenseitiger Griff zog sie näher. Ihr Gesicht, jetzt gerötet und lächelnd, ragte größer und größer auf. Er kannte dieses Lächeln. Es war keine Einladung … es war Triumph. Ihre Lippen trafen sich.
    Er riß sich los und setzte sich auf, die Kehle um einen Schrei verengt, der nicht aufgellen wollte. Seine Arme schmerzten bis ganz hinauf zu den Kinnbacken von der Anstrengung, Tentakel auszustrecken, die er nicht hatte. Er schüttelte sich keuchend und legte sich wieder zurück. Er zerrte die Decke bis zu seinem Kinn hinauf.
    Er brauchte einige Zeit, um sich in der realen Welt zu orientieren, und verwies den Alptraum in seine Schranken. Er tadelte sich wegen des verbleibenden Gefühls des Schreckens. Alpträume sind das, was man bekommt, dachte er, wenn man etwas zu sehr haben will – und nicht sicher ist, was genau es ist, das man will.
    Er zog die Arme unter die Decke und rieb die schmerzenden Muskeln. Als er merkte, daß er eine von Klyds unbewußten Manieriertheiten nachahmte und mit den Fingern über die Unterarme strich, in der puren Empfindung schwelgte, zwang er die Hände an seine Seiten.
    Valleroy erinnerte sich nicht daran, sich zugedeckt zu haben, bevor er eingeschlafen war. Klyd muß es für mich getan haben, dachte Valleroy. Er versuchte, sich den Sime bei dieser Tätigkeit vorzustellen. Es half, den Nachgeschmack des Alptraums zu zerstreuen.
    Als sich Valleroy auf einen Ellenbogen stützte, sah er, daß der Zylinder wieder ganz auf dem Tische lag. Das Gesicht des Kanals wirkte im rötlichen Licht, das von den Glutstücken des Feuers ausging tief gefurcht. Während er zusah, warf sich Klyd von einer Seite auf die andere, als versuche er, vor etwas zu fliehen. Er stöhnte unzusammenhängend, atmete in flachem Keuchen. Er begann, fieberhaft nach Denrau zu rufen, genau wie er es damals getan hatte, als er nach der Folter der Desorientierung das erste Mal erwacht war.
    Beunruhigt ergriff Valleroy eine der Hände des Simes. „Sectuib! Klyd, wach auf! Es ist nur ein schlechter Traum. Wach auf! Du bist sicher … hier.“ Er sagte es in beiden Sprachen immer wieder, bis sich das Herumwerfen des Kanals legte und er die Augen öffnete.
    „Naztehr …“ – Klyd machte einen zittrigen Atemzug und ließ die Hände sinken – „… Hugh. Einen Moment lang dachte ich, Denrau …“ Er seufzte tief, jetzt völlig wach. „Danke. Ich sollte es besser wissen und nicht schlafen.“
    „Kann ich dir etwas bringen? Einen Schluck Wasser? Etwas zu essen?“
    „Nein. Danke.“
    „Vielleicht sollte ich das Feuer schüren.“
    „Hugh!“ Der Kanal setzte sich auf, starr und wachsam.
    „Was …?“
    Klyd pendelte mit dem Oberkörper hin und her, als steuere er ein unhörbares Signal aus, und murmelte: „Muß ein Gen sein. Vielleicht erst kürzlich entdeckt. Er wird schwer geängstigt und erschöpft sein.“ Klyd

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