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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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Gen.“
    „Ich bin auch ein Gen. Aber ich habe einen Namen. Eigentlich sogar mehrere.“
    Das Kind, jetzt näher, blickte Valleroys Kleider mit forschendem Interesse an. Plötzlich spie es aus: „Haushalter! Perverser!“ Es schnellte davon, wollte zu seinem ursprünglichen Weg zurücklaufen.
    Valleroy wirbelte herum, sprang und stellte sich dem Kind in den Weg, wobei er es an den Schultern erwischte. Sie kämpften mehrere Sekundenbruchteile lang stumm, bis die Mantelkapuze des Kindes zurückfiel und eine Flut lockiger schwarzer Haare befreite, die über ihr Gesicht fiel. „Du bist ein Mädchen!“ platzte Valleroy heraus.
    „Und du bist ein dreckiger Perverser! Laß mich los!“
    „Das werde ich nicht. Du sorgst dafür, daß mich die Runzi umbringen, die unten im nächsten Tal sind, und das gefällt mir überhaupt nicht. Selbst Perverse verübeln es, ermordet zu werden.“
    Beim Wort ‚Runzi’ erstarrte das Mädchen.
    „Woher weißt du das?“
    „Mein Partner und ich haben sie gestern beobachtet. Sie sammeln ihre Toten ein. Wir nehmen an, daß sie bis zum Morgen verschwunden sein werden, so daß wir nach Hause kommen können.“
    „Nach Hause?“
    „Zeor.“
    Jetzt kalt leidenschaftlich, sagte das Mädchen: „Nimm deine Hände weg.“
    Valleroy ließ los. Sie ging davon, trottete den Berg hinunter.
    „Ich bin mir sicher“, rief Valleroy, „dir folgen Simes.“
    Sie hielt an und drehte sich um, offenbar in einem Dilemma gefangen.
    „Es ist warm im Unterschlupf. Es gibt Essen. Mein Partner sagt, wir müßten dort bis zum Morgen sicher sein.“
    „Dein Partner?“
    „Sectuib Klyd Farris, Oberhaupt des Haushaltes Zeor. Er frißt keine kleine Mädchen.“
    „Ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ich bin eine Gen.“
    Valleroy hörte den Selbsthaß in diesem wiederholten Eingeständnis. Es war eine furchtbare Empfindung, wenn man ihn zudem auf den zarten Lippen eines jungen Mädchens fand, das gerade zur Weiblichkeit erblühte. Er sagte: „Und ich bin Sectuib Farris’ Gefährte. Er hat die Not, ja, aber ich garantiere dafür, daß er dich nicht berühren wird. Deine Furcht allerdings kann ihm weh tun und uns vielleicht alle töten, weil sie die Runzi zu uns führt.“
    „Perverse! Ich hoffe, sie fangen euch wirklich!“
    „Aber du bist auch hier. Komm. Wir haben einen warmen Unterschlupf zu bieten. Teile ihn mit uns. Ich verspreche, wir werden nicht versuchen, dich zu bekehren.“
    Die Kälte und die einsame Flucht durch die Dunkelheit hatten ihren Tribut von der jungen flüchtigen Gen gefordert. Mit vor unterdrückten Tränen zitternden Lippen stand sie stumm da. „Komm“, sagte Valleroy ein letztes Mal und ging voran.
    Nach einem Moment hörte er verstohlenes Krabbeln hinter sich. Bald kamen sie auf festen Boden und kletterten auf den fast unsichtbaren Unterschlupf zu. Sie begann, weiter und weiter zurückzubleiben, bis Valleroy gezwungen war, zu ihr zurückzugehen. „Klyd ist wirklich nett, wenn man ihn erst einmal kennengelernt hat. Selbst wenn er die Not hat, ist er sehr rücksichtsvoll. Er hat nie getötet und wird es nie tun.“
    Sie blieb zurück und blickte die Hütte starr an. Valleroy nahm sie am Ellenbogen und drängte sie weiter. „Er wartet auf uns. Hab keine Angst.“
    Zögernd ging sie neben ihm weiter. Valleroy trat als erster durch die Tür und in das hellere Licht hinein, wo Klyd das Feuer geschürt und etwas Weizen zum Kochen aufgesetzt hatte.
    Der Kanal wandte sich von der Feuerstelle ab. Noch immer auf den Fersen sitzend, sagte er: „Willkommen im Schrein des Sternenkreuzes … und in Sicherheit.“
    Das Mädchen lehnte an der geschlossenen Tür und machte keine Bewegung. Valleroy sah, wie ihre Augen Klyds flinke Greiftentakel fixierten. Klyd benutzte sie als Hand, wie er das getan hatte, als Valleroy sie zum ersten Mal gesehen hatte, unbewußt, fest, natürlich. Für Valleroy schienen sie die Verkörperung all der Anmut und Schönheit, die die menschliche Seele beinhalten konnte. Seine eigenen Arme kamen ihm unvollständig vor. Offensichtlich empfand das Mädchen überhaupt nicht so. Sie war entsetzt.
    Klyd sprach, als hieße er einen Gast in Zeor willkommen: „Naztehr, du kannst ihren Mantel aufhängen, während ich ihr Mahl auf den Tisch stelle. Thrino, ich bedauere, daß ich wenig anzubieten habe außer dem, was wir hier gefunden haben. Auch wir sind Flüchtlinge vor den Runzi.“
    „Und ich hoffe, sie werden euch fangen!“
    „Aber nicht, solange du bei uns bist. Du

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