Das Haus Zeor
bist noch feldschwach. Du mußt schnell gewarnt worden sein. Du wirst entkommen.“
„Um grausam in der Wildnis zu sterben.“
„Um deinen Tod auf deine Weise zu sterben. Wenn es so hoffnungslos ist, warum läufst du dann davon?“
Sie sank schlaff gegen die Tür. „Ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht mehr.“ Sie wandte das Gesicht ab und ließ die Tränen der Müdigkeit ungehindert fließen, ohne jedoch zu schluchzen.
Valleroy kam und nahm sie bei den Schultern. Sie glitt wie ein verirrtes Kind in seine Arme, davongelaufen, um allein zu sterben. Er ließ sie ein paar Minuten lang weinen. Dann schüttelte er sie sanft. „Du hast eine Zukunft, für die du lebst. Schau dich an! Bist du jetzt eine weniger wirkliche Person als letzte Woche? Du bist eine Gen. Ist es wirklich wahr, daß Gens nur Tiere sind? Fühlst du dich anders? Wenn du dich nicht anders fühlst, meinst du, daß sich irgendein anderer Gen anders fühlt … geringer als ein menschliches Wesen? Aber wenn Gens wirklich gleichwertig sind, woher willst du dann wissen, ob sie da draußen nicht eine genauso gut funktionierende Zivilisation haben?“ Er winkte mit einer Hand unbestimmt Richtung Grenze.
Jetzt wirklich verwirrt, hob sie ihr tränenbeflecktes Gesicht und schaute ihm in die Augen. Was sie dort fand, erfuhr Valleroy nie, doch es stillte die Tränenflut. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis sie die Schüssel mit Korn und Äpfeln leer geputzt hatte. Das warme Essen und das heitere Feuer wirkten auf ihre müden Körper. Innerhalb von Augenblicken war sie unter Klyds Decke eingeschlafen und ließ die beiden Männer in gemurmelter Beratung über dampfenden Schüsseln eines Frühstücks vor Tagesanbruch zurück.
„Wir müssen von hier verschwinden.“
„Ja, Sectuib. Das Morgengrauen ist nahe.“
„Nein. Jetzt. Sie ist verfolgt worden.“
Valleroy sprang auf. „Wo …?“
„Setz dich. Sie sind noch ziemlich weit weg. Aber die Runzi werden sie vermutlich bald entdecken, wenn sie Späher unterwegs haben. Sobald den Runzi klar wird, daß nur eine Jagd die Nachtreiter herausbringen kann, werden sie zwangsläufig hier nachsehen. Wir dürfen nicht mehr hier sein, wenn sie das tun.“
„Aber was ist mit ihr?“
„Naztehr, wir können sie nicht mit uns nehmen.“ Die eiserne Entschlossenheit in der Stimme des Kanals war das kälteste Todesurteil, das Valleroy je gehört hatte.
„Du hast sie angelogen! Du hast gewußt, daß sie hier nicht sicher sein würde!“
„Für Zeor, auf ewig. Manchmal sind die Dinge, die man für Zeor tun muß, nicht angenehm.“
„Ich lasse sie nicht hier, damit sie abgeschlachtet wird!“ Valleroy erhob sich halb auf die Füße, aber Klyds rechte Hand zuckte vor, und ergriff seinen Arm. „Naztehr! Wecke sie, und wir sterben auch. Jetzt verursacht sie wenigstens kein Leuchtfeuer der Angst, um sie zu leiten. Beende dein Mahl. Wir müssen gehen.“
„Du kaltblütiger …“
„Naztehr! Zorn überträgt sich gut in diesen verlassenen Bergen!“
Valleroy schluckte schwer und setzte sich wieder auf den Stuhl. Die Weisheit von Klyds Plan war nicht zu leugnen. Aber Valleroy wußte, daß seine eigene Mutter auch einmal ein solches Kind gewesen war.
„Iß. Je früher wir fort sind, desto besser ist die Chance, die sie zum Überleben hat. Gemeinsam bilden wir eine verdächtige Verformung des Selyn-Feldes.“
„Mir ist der Appetit vergangen. Gehen wir, bevor ich mich übergeben muß.“
Erweichend sagte Klyd: „Sie hat wirklich eine Chance, weißt du. Sie entdecken sie vielleicht nicht, wenn sie allein ist und Vertrauen in das Sternenkreuz hat.“
„Jetzt belügst du mich.“
„Nein. Ich hoffe bloß. Eine perverse menschliche Gewohnheit, die Simes und manchmal sogar Kanäle befällt.“
Sie packten ihre Sachen zusammen, ließen jedoch Klyds Decke über dem Kind ausgebreitet zurück. Bevor sie aus der Tür traten, legte Valleroy das Sternenkreuz von der Wand des Schreins in die Hände des Mädchens.
Dann folgte er dem Kanal verbissen hinaus in die Dunkelheit vor Morgengrauen. Sie bewegten sich auf vertrautem Boden und steckten den geschlossenen Zylinder in die Nische zurück, in der sie ihn gefunden hatten. Über den Grat des Kammes gingen sie weiter, nach Westen und auf Zeor zu. Noch immer bestand die Chance, daß sie den Runzi entgehen und es ins Tal hinunter schaffen konnten.
Aber es war eine geringe Chance, und sie wurde noch geringer. Der Kanal huschte von
Weitere Kostenlose Bücher