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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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aber anders und lächelte.
    »Der Fürst hat ihn vorhin abgeholt«, sagte sie achselzuckend.
    »Der Fürst? Welcher Fürst? Sag mir seinen Namen!«
    »Jussupow«, erwiderte sie. »Das ist schon ein paar Stunden her. Und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind.«
    »Natürlich weißt du es«, sagte ich und hielt ihr meine geballte Faust unter die Nase. »Sag mir sofort, wo sie hingegangen sind, oder ich schwöre dir, dass ich …«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, wobei sie die Worte förmlich ausspuckte. »Er hat es mir nicht gesagt. Er könnte überall sein. Was hast du überhaupt vor, Pascha?«, fuhr sie in einem spöttischen Tonfall fort. »Denkst du, du kannst mir wehtun? Möchtest du mir gerne wehtun?«
    Ich starrte sie an, bestürzt, dass sie mich schließlich doch noch erkannt hatte, sagte aber nichts weiter, sondern drehte mich um, damit ich sie nicht mehr ansehen musste.
    »Das Palais an der Moika«, sagte ich leise vor mich hin, denn ich wusste, wo Felix Jussupow residierte. Und dort waren sie höchstwahrscheinlich hingegangen, denn dieser Palast war berüchtigt für ausschweifende Festivitäten. Ein Ort, wo Vater Grigori ganz in seinem Element wäre. Ich warf der Hure einen letzten Blick zu, und sie begann erneut, mich zu verhöhnen, doch ich ignorierte ihre Worte, wandte mich von ihr ab und machte mich auf den Weg.
    Ich lenkte meine Schritte zum Ufer der Moika und überquerte diese an der Gorochowaja Uliza, und auf meinem Weg zu Fürst Jussupows Residenz kam ich am hell erleuchteten Mariinski-Palais vorbei. Der Fluss war größtenteils zugefroren. Das Eis knirschte an der gemauerten Uferbefestigung und bildete bizarre, weiß gekrönte Buckel, die von oben an eine schneebedeckte Gebirgslandschaft erinnerten. Während jenes langen, von klirrender Kälte begleiteten Fußmarschs begegnete mir keine Menschenseele – um so besser, dachte ich mir, denn die von mir ins Auge gefasste Tat konnte mich das Leben kosten, insbesondere wenn die Zarin davon erfuhr. Natürlich gab es viele, die mein Vorhaben gebilligt hätten, aber sie wären eine schweigende Mehrheit gewesen, nicht dazu bereit, sich hinter mich zu stellen, sollte mir der Prozess gemacht werden. Und sollte ich für schuldig befunden werden, so würde ich mein Leben zwangsläufig als Rasputins letztes Opfer beenden, aufgeknüpft an einem Baum irgendwo in den Wäldern außerhalb von St. Petersburg.
    Schließlich ragte das Jussupow-Palais vor mir auf. Ich war froh, dort keine Wachposten zu sehen, die auf dem Areal Patrouille gingen. Noch vor zehn oder fünfzehn Jahren wären auf dem Vorplatz Dutzende von Wachen auf und ab marschiert, doch inzwischen nicht mehr. Dies war ein Anzeichen dafür, wie weit es mit der herrschenden Klasse bergab gegangen war. Den Palästen wurde allenthalben noch ein Jahr eingeräumt. Doch in der Zwischenzeit lebten die Reichen weiterhin ihr ausschweifendes Leben, sie tranken ihren Wein, sie schlugen sich den Wanst voll, sie besprangen ihre Huren. Ihre Tage waren gezählt, und sie wussten es, waren jedoch zu betrunken, um sich deswegen Sorgen zu machen.
    Ich begab mich zur Rückseite des Palastes und wollte gerade eine der Türen öffnen, als ich drinnen einen Pistolenschuss vernahm. Ich blieb wie versteinert stehen. Hatte ich tatsächlich einen Schuss gehört oder es mir nur eingebildet? Ich schluckte nervös und blickte um mich, doch es war niemand zu sehen. Aus dem Palast drangen Stimmen und Gelächter und das Geraune von Leuten, die andere zu beruhigen versuchten, und dann, zu meinem Entsetzen, ein weiterer Schuss. Dann noch einer. Und noch einer. Alles in allem vier. Ich blickte mich um, und genau in diesem Augenblick traf mich ein gleißender Lichtschein, als die Tür geöffnet wurde und ein Unbekannter sich auf mich stürzte, mich in den Schwitzkasten nahm und mir die Klinge eines Messers an die Kehle drückte.
    »Wer bist du?«, zischte er mich an. »Sag es mir schnell, sonst bist du tot!«
    »Ein Freund«, stammelte ich, verzweifelt darum bemüht, meine Kehle beim Sprechen nicht zu weit hervorzustrecken, damit das Messer sich nicht in meinen Hals bohrte.
    »Ein Freund?«, sagte er. »Du weißt doch noch nicht mal, mit wem du gerade sprichst.«
    »Ich bin …« Ich hielt inne. Sollte ich mich als einen Mann des Zaren zu erkennen geben? Oder als einen Vertrauten Rasputins? Und damit womöglich als einen Feind? Wie konnte ich wissen, wem die Loyalität dieses Mannes gehörte.
    »Nein, Dimitri«, hörte ich eine zweite

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