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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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mehr nicht«, sagte die Zarin schließlich, in einem verletzten Tonfall. »Und mein Vertrauter. Aber ich komme auch ohne ihn aus, Nicky, das musst du mir glauben. Ich kann stark sein. Ich bin stark. Ich muss es ja sein, wo du nicht hier bist und dieser schreckliche Krieg immer noch andauert …«
    »Ja, darüber wollte ich auch noch ein Wörtchen mit dir reden«, fuhr der Zar sie an und warf die Arme in die Höhe. »Also, die Macht, die du ausübst. Du übertreibst es damit, verstehst du? Du musst anderen erlauben, dir …«
    »Aber es ist Tradition, dass die Zarin die Regierungsgewalt ausübt, solange der Zar abwesend ist«, erwiderte sie schnippisch und warf den Kopf hoheitsvoll in den Nacken. »Es gibt dafür Präzedenzfälle. Deine Mutter hat es gemacht, und deren Mutter, und deren Mutter ebenfalls.«
    »Aber du gehst dabei zu weit, Sunny. Und das weißt du auch. Trepow hat mir erzählt …«
    »Hah! Trepow«, schrie sie, wobei sie den Namen des Ministerpräsidenten mehr oder weniger ausspuckte. »Trepow hasst mich. Das weiß doch jeder.«
    »Ja«, brüllte der Zar und lachte bitter. »Ja, das tut er. Und warum tut er es?«
    »Weil er nicht weiß, wie man ein Land regiert. Weil er nicht weiß, wo die Kraft dafür herkommt.«
    »Und wo kommt sie her, Sunny? Kannst du mir das verraten?«, fragte er sie, wobei er wütend einen Schritt auf sie zu machte. Die beiden hatten sich seit Monaten nicht mehr gesehen. Die Leidenschaft, mit der sie einander liebten, war allgemein bekannt, sie durchzog die Briefe, die sie sich täglich schrieben – doch hier waren sie nun und hassten sich offenbar, stritten sich erbittert, als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen, um sie auseinanderzureißen. »Sie kommt aus dem Herzen! Und aus dem Kopf!«
    »Was weißt du denn schon von meinem Herzen?«, kreischte sie, woraufhin die vier Töchter ihre Häkelei oder Stickerei unterbrachen und verängstigt zu ihren Eltern hinüberschauten. Ich warf einen Blick auf Alexei, der, wie es schien, gleich in Tränen zerfließen würde. »Du, der keins hat!«, fuhr sie fort. »Du, der alles vom Kopf her beurteilt! Wann hast du dich zum letzten Mal dafür interessiert, was ich in meinem Herzen empfinde?«
    Der Zar starrte sie an und schwieg eine Weile, bevor er den Kopf schüttelte. »Trepow besteht darauf«, sagte er schließlich, mit einem resignierten Achselzucken. »Du wirst keine eigenmächtigen Entscheidungen mehr treffen, wenn ich nicht hier bin.«
    »Dann musst du hier bleiben!«
    »Ich muss gehen, Sunny. Die Streitkräfte …«
    »… können auch ohne dich weitermachen. Der Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch kann wiedereingesetzt werden.«
    »Der Zar gehört an die Spitze seiner Streitkräfte«, beharrte er.
    »Dann werde ich weiterhin die Regierungsgeschäfte führen.«
    »Nein, das geht nicht.«
    »Du willst dir von einem Mann wie Trepow vorschreiben lassen, was du tun sollst?«, fragte sie erstaunt. »Du lässt dir von irgendwem etwas vorschreiben? Du, der immer behauptet, er sei von Gott auserwählt?«
    »Behauptet?«, fragte er, mit vor Unglauben weit aufgerissenen Augen. »Was willst du mit diesem behauptet sagen? Bezweifelst du etwa meine göttliche Legitimation?«
    »Ich frage nur, ob du es tatsächlich so weit kommen lassen willst, mehr nicht. Du sagst, du würdest dich von einem Bauern aus Pokrowskoje nicht herumkommandieren lassen, aber vor einem Bastard aus Kiew kuscht du wie ein Köter. Erklär mir bitte, wo da der Unterschied liegt, Nicky. Erklär es mir, als wäre ich ein ignoranter, ungebildeter Muschik und nicht die Enkelin einer Königin, die Cousine eines Kaisers und die Frau eines Zaren.«
    Der Zar begab sich hinter seinen Schreibtisch und nahm dort Platz. Er verbarg seine Augen eine Zeit lang hinter seiner Hand, bevor er wieder aufschaute, wobei sein Gesicht von düsteren Vorahnungen gezeichnet war. »Die Duma«, sagte er schließlich. »Die Deputierten verlangen uneingeschränkte parlamentarische Befugnisse.«
    »Ein Parlament innerhalb einer Autokratie? Wie soll das gehen?«, fragte sie. »Das schließt sich doch gegenseitig aus.«
    »Genau das ist der springende Punkt, Sunny«, erwiderte der Zar mit einem bitteren Lachen. »Es geht nicht! Aber ich kann nicht zwei Kriege auf einmal führen. Das werde ich nicht tun. Dazu habe ich nicht die Kraft. Und das Land hat sie auch nicht. Nein, ich werde in ein paar Tagen zur Stawka zurückkehren, und du wirst dich mit der Familie nach Zarskoje Selo begeben. Und in

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