Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
meiner Abwesenheit wird Trepow sich um die politischen Angelegenheiten kümmern.«
»Wenn du das machst, Nicky«, sagte sie leise, »dann wird es keinen Palast mehr geben, in den du zurückkehren kannst. Das prophezeie ich dir.«
»Die Dinge werden sich …«, sagte er und sackte auf seinem Stuhl in sich zusammen. »Die Dinge werden sich wieder einrenken. Es wird vielleicht ein bisschen dauern, aber die Verhältnisse werden sich wieder normalisieren.«
Die Zarin öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, doch sie überlegte es sich anders und schüttelte lediglich den Kopf, wobei sie ihren Gatten mitleidsvoll ansah. Dann blickte sie sich im Raum um und musterte nacheinander jedes ihre Kinder – ihre Miene verfinsterte sich bei jedem der Gesichter und erhellte sich nur, als sie ihre Augen auf ihrem jüngsten Kind ruhen ließ, auf Alexei.
»Los, Kinder«, sagte sie, »kommt mit.«
Die fünf Romanow-Sprösslinge standen sofort auf, doch mit Blick auf die Bediensteten hob die Zarin beide Arme in die Höhe, mit flach ausgestreckten Handflächen, und schüttelte den Kopf – dies war eine der seltenen Gelegenheiten, wo sie sich dazu herabließ, die Anwesenheit gewöhnlicher Sterblicher in einem Raum zu registrieren.
»Nein, nur meine Kinder«, sagte sie mit gebieterischer Stimme. »Ihr anderen bleibt hier. Beim Zaren. Vielleicht braucht er euch noch.«
Sie ging voraus, in Richtung ihres eigenen Salons, und ich beobachtete, wie die Kinder ihr folgten. Beim Verlassen des Raumes drehte sich Anastasia zu mir um. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte sie nervös, und ich erwiderte ihr Lächeln und hoffte, ihr damit ein wenig Trost spenden zu können. Ein paar Augenblicke später verabschiedeten sich die vier Hofdamen, die den kaiserlichen Großfürstinnen als Gesellschafterinnen dienten, und die Leibgardisten postierten sich draußen vor der Tür, sodass schließlich nur noch der Zar und meine Wenigkeit zurückblieben. In meiner jugendlichen Torheit malte ich mir aus, dass ich bei ihm bleiben und mich mit ihm unterhalten würde, um ihn irgendwie aufzumuntern, um ihm Mut zuzusprechen, doch ich wusste, das stand mir nicht zu. Ich zögerte nur kurz, bevor ich ihm den Rücken kehrte, um den Raum zu verlassen. Er schaute jedoch auf, als ich wegging, und rief mich zurück.
»Georgi Daniilowitsch«, sagte er.
»Euer Majestät?«, erwiderte ich, wobei ich mich zu ihm umdrehte und mich tief vor ihm verbeugte. Er erhob sich von seinem Stuhl und schritt langsam auf mich zu. Ich war bestürzt, als ich sah, welche Schwierigkeiten ihm das Gehen bereitete. Er war noch keine fünfzig Jahre alt, aber die Ereignisse der letzten Jahre hatten ihn vorzeitig altern lassen.
»Mein Sohn«, sagte er, kaum dazu in der Lage, mir in die Augen zu sehen, nach der Szene, die ich gerade mitverfolgt hatte. »Geht es ihm gut?«
»Ich glaube schon, Euer Majestät«, erwiderte ich. »Er ist sehr vorsichtig.«
»Aber er sieht so blass aus.«
»Seit der Starez ermordet wurde, besteht die Zarin darauf, dass Alexei sich nur noch drinnen aufhält«, sagte ich. »Seitdem hat er kein Tageslicht mehr gesehen, glaube ich.«
»Dann ist er hier ein Gefangener?«
»Ja, irgendwie schon.«
»Nun, wir sind hier alle Gefangene, Georgi«, sagte er mit einem angedeuteten Lächeln. »Stimmst du mir da nicht zu?«
Darauf erwiderte ich nichts, und als er mir den Rücken kehrte, verstand ich dies als einen Wink, mich zu entfernen, und begab mich in Richtung Tür.
»Bleib hier, Georgi«, sagte er und drehte sich wieder zu mir um. »Wenn es dir recht ist. Ich möchte dich fragen, ob du mir einen Gefallen tust.«
»Ja, was immer Ihr wollt, Euer Majestät.«
Er lächelte. »Das solltest du nie sagen, bevor du weißt, was von dir verlangt wird.«
»Das würde ich auch nicht«, erwiderte ich rasch. »Aber Ihr seid der Zar. Und deshalb sage ich es noch einmal: Was immer Ihr wollt, Euer Majestät.«
Er schaute mich an und biss sich kurz auf die Unterlippe, in einer Manier, die mich an seine jüngste Tochter erinnerte, und dann lächelte er.
»Ich möchte, dass du dich von Alexei verabschiedest«, sagte er. »Du sollst ihn nicht mehr beschützen. Jedenfalls eine Zeit lang. Ich möchte, dass du mich begleitest.«
Ich fragte mich, ob ich mir das Klopfen nur eingebildet hatte, doch dann ertönte es wieder, diesmal wesentlich dringlicher. Ich stieg aus dem Bett und ging zur Tür, die ich behutsam öffnete, damit ihr Quietschen nicht die anderen auf dem Flur störte.
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