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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Iljawitsch gesagt hatte, dann würde man ihn mitten auf dem Palaisplatz bei lebendigem Leib in Stücke reißen. Ich drehte mich wieder zu Peter um, entschlossen, noch weitere Antworten aus ihm herauszuholen, doch er war inzwischen gegangen. Als ich zum vordersten Waggon blickte, konnte ich dort das Geräusch anderer Stimmen vernehmen, von Leuten, die sich laut unterhielten und stritten, aber nicht so deutlich, dass ich mitbekam, worum es ging. Zur linken Seite des Zuges bemerkte ich zwei Automobile, die am Vortag noch nicht dort gestanden hatten, und plötzlich packte mich die Angst vor dem, was womöglich als Nächstes passierte.
    Ich hatte gegenüber Peter Iljawitsch kein Blatt vor den Mund genommen, und wahrscheinlich erstattete er gerade über mich Bericht.
    Ich schluckte nervös, machte auf dem Absatz kehrt und begann, langsam in Richtung Zugende zu gehen, als der letzte Waggon in Sicht kam, beschleunigte ich meine Schritte. Als ich kurz über meine Schulter blickte, konnte ich niemanden hinter mir sehen, doch ich wusste, mir blieben nur noch wenige Augenblicke, bis sie sich an meine Fersen hefteten. Ich war ja nichts weiter als ein gewöhnlicher Muschik, der es im Leben merkwürdigerweise zu etwas gebracht hatte. Den Zaren ließen sie womöglich am Leben – er war schließlich eine Trophäe. Aber was war ich? Doch bloß jemand, der einem Romanow das Leben gerettet und einem anderen als Leibwächter gedient hatte.
    Vor mir tat sich der Wald auf. Ich überquerte die Schienen und tauchte in ein Meer von Tannen und Föhren, von Zedern und Lärchen, die dicht beieinanderstanden. Durch meinen keuchenden Atem und das Rauschen der Zweige glaubte ich die Stimmen der Soldaten zu hören, die mich verfolgten, ihre Gewehre im Anschlag, fest entschlossen, mich zur Strecke zu bringen. Ich hielt einen Moment inne und schnappte nach Luft und … ja, es stimmte, sie waren hinter mir her. Ich hatte es mir nicht bloß eingebildet.
    Ich war kein Mitglied der Leibgarde mehr – dieser Abschnitt meines Lebens war unwiderruflich vorbei. Ich war nun auf der Flucht, rechtlos und geächtet.
    Es war fast Oktober, als ich nach St. Petersburg zurückkehrte. Ich wusste nicht, ob ich noch immer in Gefahr schwebte, doch allein die Vorstellung, von den Bolschewiki geschnappt und ermordet zu werden, sorgte dafür, dass ich ständig auf der Hut war, um möglichen Verfolgern immer einen Schritt voraus zu sein. Aus demselben Grund war ich auch nicht sofort in die Stadt zurückgekehrt, sondern hatte mich lieber in Ortschaften entlang des Weges versteckt. Ich schlief, wo immer ich einen geschützten, abgeschiedenen Winkel finden konnte, und um mir den Gestank vom Körper zu waschen, war ich in Flüssen geschwommen. Ich hatte mir die Haare wachsen und einen stoppeligen Bart stehen lassen, der mein Gesicht so verbarg, dass mich niemand als den jungen achtzehnjährigen Soldaten wiedererkannt hätte, der ich am Ende der Romanow-Dynastie gewesen war. Da ich ständig in Bewegung war, wurde ich immer kräftiger, und ich lernte, Tiere zu töten und sie zu häuten, sie auszunehmen und über dem offenen Feuer zuzubereiten; indem ich ihr Leben opferte, rettete ich meins.
    Gelegentlich machte ich in kleinen Dörfern Halt, wo man mir für ein paar Tage Arbeit Kost und Logis gewährte. Ich quetschte die Bauern nach politischen Neuigkeiten aus, und es überraschte mich, dass eine provisorische Regierung, die sich damit brüstete, die Interessen des Volkes zu vertreten, so wenig Informationen über ihre Aktivitäten an die Außenwelt dringen ließ. Ich erfuhr jedoch immerhin, dass nun ein Mann namens Wladimir Iljitsch Uljanow – den alle als Lenin kannten – in Russland das Sagen hatte und, in völligem Gegensatz zum Zaren, sein Hauptquartier von St. Petersburg nach Moskau in den Kreml verlegt hatte, einen Ort, den Nikolaus immer verabscheut und nur im Ausnahmefall besucht hatte. Dort waren alle Zaren gekrönt worden, und ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob Lenin diese Tradition vor Augen gehabt hatte, als er sein neues Machtzentrum auswählte.
    Als ich schließlich zurückkehrte, hatte sich St. Petersburg – oder Petrograd – beträchtlich verändert, doch ich erkannte es immer noch wieder. Die Paläste entlang der Newa waren verrammelt, und ich fragte mich, wo all die Fürsten, Grafen und Herzoginwitwen untergekommen sein mochten. Sie waren natürlich mit Königshäusern überall in Europa verwandt oder verschwägert. Zweifellos waren einige von ihnen

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