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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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sicherlich ein frisches Lüftchen. Die Leute an Bord gehörten eindeutig der feinen Gesellschaft an, denn selbst aus dieser Entfernung war erkennbar, dass sie Pelze, Hüte und Handschuhe trugen, die ein Vermögen gekostet haben mussten. Ich stellte mir vor, dass es an Deck dieser Schiffe Essen und Getränke im Überfluss gab – eine Generation von Prinzen und Fürstinnen, die lachten und plauderten, als hätten sie keinerlei Sorgen.
    Wer diese Szene beobachtete, hätte nie geglaubt, dass sich unser Land seit Monaten im Krieg befand und dass stündlich Tausende von jungen russischen Männern auf den Schlachtfeldern Europas ihr Leben hingaben. Es war nicht unbedingt so wie in Versailles vor dem Eintreffen der Schinderkarren, doch es herrschte eine Atmosphäre der Verdrängung, so als wollten die begüterten Schichten von St. Petersburg die Verbitterung und Unzufriedenheit, die sich in den Städten und Dörfern jenseits der Kapitale zusammenbrauten, einfach nicht wahrnehmen.
    Ich beobachtete, wie eines dieser Schiffe, das vielleicht luxuriöseste von allen, direkt vor dem Palast anlegte. Als es an seinen Liegeplatz glitt, überbrückten zwei kaiserliche Leibgardisten die kurze Entfernung zwischen dem Deck und der Promenade mit einem eleganten Sprung und ließen eine breite Zugbrücke herab, damit die Passagiere sicher an Land gelangen konnten. Eine kräftig gebaute Frau ging als Erste von Bord und trat einen Schritt beiseite, um die vier jungen Mädchen in ihrem Gefolge vorbeizulassen. Sie trugen alle die gleichen langen grauen Kleider, Mäntel und Hüte und unterhielten sich angeregt. Ich reckte den Hals, um besser sehen zu können, und registrierte verdutzt, dass es dieselbe Gruppe war, der ich an dem Stand mit den Röstkastanien begegnet war. Ihre Kutsche musste sie bis zu dem Schiff gebracht haben, für eine kurze Fahrt als Ausklang eines angenehmen Abends. Mein Beobachtungsplatz im dritten Stock des Palastes lag so hoch, dass ich sie nur für ein paar kurze Augenblicke sehen konnte. Ich fragte mich jedoch, ob sie vielleicht spürten, dass jemand sie beobachtete, denn kurz bevor sie aus meinem Blickfeld entschwanden, zögerte eines von ihnen – das jüngste, das Mädchen mit dem bezaubernden Blick, dem die Tüte mit den Kastanien heruntergefallen war – und sah zu mir hoch. Als sich unsere Blicke trafen, huschte ein Ausdruck des Wiedererkennens über ihr Gesicht, so als hätte sie mich von Anfang an dort erwartet. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich ihr Lächeln, dann verschwand sie. Ich schluckte nervös und runzelte die Stirn, völlig verwirrt von dem ungewohnten Gefühl, das mich übermannte.
    Obgleich ich nur einen kurzen Blick auf das Mädchen erhascht hatte und wir beide an dem Kastanienstand kaum ein Wort gewechselt hatten, lag eine Wärme, eine tiefe Zuneigung in ihrem Blick, die in mir den Wunsch weckten, auf der Stelle hinunterzulaufen und mit ihr zu reden und herauszubekommen, wer sie war. Fast hätte ich laut aufgelacht angesichts der Absurdität meiner Gefühle. Mach dich nicht lächerlich, Georgi! , sagte ich mir, wobei ich heftig den Kopf schüttelte, um die darin herumgeisternden Bilder zu verscheuchen. Da sich nach wie vor niemand sehen ließ, der sich meiner angenommen hätte, begann ich, den Flur hinunterzuspazieren, weg von diesen gefährlichen Fenstern, weg von meinem formidablen Stuhl.
    Und just in diesem Moment hörte ich in der Ferne Stimmen.
    Von den geschlossenen Türen war eine so üppig verziert wie die andere, und alle waren sie an die viereinhalb Meter hoch, mit einem halbkreisförmigen Fries oberhalb der kunstvollen Goldgüsse, die ihre Oberflächen schmückten. Ich fragte mich, wie viele Stunden Arbeit und wie viel handwerkliches Geschick diese sorgfältig ausgearbeiteten Details gefordert haben mochten. Wie viele solcher Türen gab es wohl in diesem Palast? Eintausend? Zweitausend? Diese Frage sprengte mein Vorstellungsvermögen, und mir wurde schwindelig angesichts des Gedankens, wie viele Leute damit beschäftigt gewesen sein mussten, einen solchen Prunk zu schaffen, der lediglich dem Vergnügen einer einzigen Familie diente. Ob deren Mitglieder überhaupt wahrnahmen, wie schön das Ganze war? Oder ob sie an der ganzen unglaublichen Pracht einfach achtlos vorübergingen?
    Ich hielt nur einen kurzen Moment inne und bog dann um eine Ecke, wo mich ein wesentlich kürzerer Flur erwartete. Zu meiner Linken brannten nun keine Lichter mehr, und die Dunkelheit rief mir die

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