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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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vorstellen, wie es zu jener Zeit einer deutschen Familie in England ergangen sein musste. Ich nahm an, dass dieser Ralph mehr Mumm in den Knochen hatte, als man angesichts seiner Nervosität gegenüber den Eltern seiner Freundin vermuten konnte. Ich stellte mir vor, dass er sich seiner Haut zu wehren wusste.
    »Das ist für Sie bestimmt nicht angenehm gewesen«, sagte ich, wobei ich mir der Untertreibung bewusst war.
    »Richtig«, sagte er leise.
    »Sie haben noch Geschwister, sagten Sie vorhin.«
    »Ja, einen Bruder und eine Schwester.«
    »Und hat Ihre Familie darunter gelitten?«
    Er zögerte kurz, bevor er aufschaute, und nickte, um mir dann direkt in die Augen zu sehen. »Ja, sehr«, sagte er. »Und nicht bloß meine Familie. Es gab dort noch mehr Familien wie unsere. Und viele gingen natürlich auch zugrunde. Das sind Zeiten, an die ich nicht gern zurückdenke.«
    Ein betretenes Schweigen breitete sich am Tisch aus. Ich wollte noch mehr wissen, doch ich fand, ich hatte genug Fragen gestellt. Dass er uns so viel von sich erzählte hatte, war ein Beweis dafür, wie sehr ihm unsere Tochter am Herzen lag. Ich kam zu dem Ergebnis, dass ich diesen Ralph Adler mochte und dass ich ihm keine Steine in den Weg legen würde.
    »Also«, sagte ich und füllte die Weingläser nach. Dann hob ich meins in die Höhe, um einen Toast auszubringen. »Wir leben jetzt alle hier zusammen, Emigranten aus aller Herren Länder. Ob Russe, Deutscher oder Ire, das macht keinen Unterschied. Wir alle haben liebe Menschen in unserer Heimat zurückgelassen, und unterwegs haben wir auch so manchen verloren. Lasst uns die Gläser im Gedenken an diese Menschen erheben und auf sie anstoßen.«
    Wir ließen die Gläser klingen und widmeten uns dann wieder dem Roastbeef, nunmehr keine dreiköpfige, sondern eine vierköpfige Familie.
    Schon seit Wochen bekniete Arina mich, einen Fernsehapparat zu kaufen, damit wir uns zu Hause die Krönung der neuen Königin anschauen konnten. Anfangs sträubte ich mich dagegen, nicht weil mich die Zeremonie als solche nicht interessiert hätte, sondern weil ich keinen Sinn darin erkennen konnte, für viel Geld ein Gerät anzuschaffen, das wir dann nur einmal benutzten.
    »Aber wir werden es jeden Tag benutzen«, beteuerte sie. »Oder ich zumindest. Bitte! Wir können doch nicht als einzige Familie in unserer Straße keinen Fernsehapparat haben. Das wäre verdammt peinlich.«
    »Nun mach mal halblang«, sagte ich zu ihr und schüttelte den Kopf. »Was versprichst du dir davon? Willst du etwa, dass wir drei hier jeden Abend stumm dasitzen und auf einen Kasten starren, der in einer Zimmerecke steht? Und wenn alle anderen einen haben, wieso gehst du dann nicht einfach zu den Nachbarn und schaust dir den Krönungsgottesdienst dort an?«
    »Weil wir uns das gemeinsam anschauen sollten«, sagte sie zu mir. »Als Familie. Bitte, Papa«, fügte sie hinzu, wobei sie mich mit dem flehentlichen Lächeln bedachte, mit dem sie mich immer herumkriegte. Und so lenkte ich schließlich ein und kehrte am darauffolgenden Montag, nur einen Tag, bevor die Königin feierlich in die Westminster Abbey einziehen sollte, mit einem nagelneuen Fernseher namens Ambassador nach Hause zurück, einem keilförmigen Kasten, der gut in eine Ecke unseres kleinen Wohnzimmers passte.
    »Nein, was ist das Ding hässlich«, sagte Soja, die auf dem Sofa saß, während ich mich mit den dazugehörigen Kabeln und Steckern abmühte. Im Laden hatten mich die dort präsentierten Apparate auf der Stelle in ihren Bann gezogen, und am Ende hatte ich mich für dieses Modell entschieden, weil sein Gehäuse aus einem ähnlichen Holz war wie unser Esstisch. Es war unterteilt in zwei Hälften, einen kleinen 30-Zentimeter-Bildschirm, der bequem auf einem etwa gleichgroßen Lautsprecher thronte, und beide Komponenten zusammen ließen das Ding wie eine unfertige Verkehrsampel aussehen. Trotz meiner ursprünglichen Vorbehalte packte mich angesichts dieser Neuerwerbung nun doch eine gewisse Aufregung.
    »Er ist einfach wunderbar«, sagte Arina und nahm neben ihrer Mutter Platz, um den Apparat gebannt zu betrachten, als handelte es sich dabei um einen Picasso oder einen Van Gogh.
    »Das sollte er besser auch sein«, brummelte ich. »Es ist das Teuerste, was wir uns jemals angeschafft haben.«
    »Wie viel hat er denn gekostet, Georgi?«
    »Achtundsiebzig Pfund«, erwiderte ich, selbst jetzt noch darüber erstaunt, wie ich so viel Geld für etwas im Grunde so Nutzloses hatte

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