Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
ausspuckte.
»Richtig.«
»Tja. Was soll ich dazu sagen?«
»Ich habe ihn nie geliebt, falls das für dich eine Rolle spielt.«
»Das macht es noch schlimmer«, erwiderte ich, wobei ich nicht wusste, ob sie mir die Wahrheit gesagt oder mich angelogen hatte, aber ich wollte ihr einfach wehtun. »Was sollte denn das Ganze, wenn du ihn nicht geliebt hast? Dann hätte es wenigstens einen Sinn ergeben.«
»Er kannte mich nicht«, sagte sie ruhig. »Das unterschied ihn von dir.«
»Dich kennen?«, fragte ich stirnrunzelnd. »Was meinst du damit?«
»Meine Sünden. Er wusste nichts von meinen Sünden.«
» Nein! «, schrie ich daraufhin wutentbrannt und machte Anstalten, mich auf sie zu stürzen. »Untersteh dich, dich damit zu rechtfertigen!«
»Oh, das mache ich nicht, Georgi, nein, auf die Idee würde ich nie kommen«, sagte sie kopfschüttelnd und begann zu schluchzen. »Es war bloß … wie kann ich dir etwas erklären, das ich selber nicht verstehe? Verlässt du mich jetzt?«
»Es gibt nichts, was ich lieber täte«, sagte ich – eine Lüge natürlich. »Ich hätte dir so etwas nie angetan. Niemals!«
»Ja, ich weiß.«
»Denkst du, ich komme nie in Versuchung? Denkst du, ich schaue nie anderen Frauen nach und finde sie begehrenswert?«
Sie zögerte eine Weile, schüttelte aber schließlich den Kopf. »Nein, Georgi. Ich denke nicht, dass du das machst. Ich bezweifle, dass du jemals in Versuchung kommst.«
Ich öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, aber wie konnte ich das? Sie hatte ja recht.
»Das macht dich zu dem, der du bist«, sagte sie mit Nachdruck. »Du bist gut und anständig, und ich …« Sie hielt kurz inne, und als sie fortfuhr, wobei sie jedes einzelne Wort betonte, klang sie so kategorisch, wie ich sie vorher noch nie gehört hatte. »Und ich bin es nicht.«
Wir standen eine ganze Weile stumm da, und dann kam mir ein Gedanke, der so ungeheuerlich war, dass ich es kaum wagte, ihn auszusprechen.
»Soja«, sagte ich, »hast du es vielleicht getan, damit ich dich verlasse?« Sie sah mich an und schluckte. Dann wandte sie sich wortlos von mir ab. »Hast du gedacht, dass es eine Art Bestrafung wäre, wenn ich dich verlasse? Dass du es verdienst, bestraft zu werden?«
Schweigen.
»Lieber Himmel, Soja!«, sagte ich kopfschüttelnd. »Du denkst also noch immer, es wäre deine Schuld gewesen? Du willst noch immer sterben?«
Um Punkt acht Uhr öffnete sich die Haustür, und Arina kam als Erste herein, ein zaghaftes Lächeln im Gesicht – die Miene, die sie als Kind immer aufgesetzt hatte, wenn sie irgendetwas angestellt hatte, es uns aber nicht verheimlichen wollte. Sie trat auf Soja und mich zu und küsste uns beide, wie sie es immer machte, und dann löste sich aus dem dunklen Schatten des Flures ein junger Mann, einen Hut in der Hand, die Wangen leicht gerötet, unverkennbar bestrebt, einen guten Eindruck zu machen. Trotz meiner ursprünglichen Vorbehalte fand ich seine Nervosität irgendwie rührend und konnte mir nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen. Es muss ein Tag für Erinnerungen gewesen sein, denn seine Beklommenheit rief mir ins Gedächtnis, wie nervös ich gewesen war, als ich seinerzeit Sojas Vater vorgestellt wurde.
»Mama, Papa«, sagte Arina, wobei sie auf den jungen Mann deutete, als könnten wir ihn nicht sehen, wie er da so verlegen vor uns stand, »darf ich euch Ralph Adler vorstellen?«
»Guten Abend, Mr Jatschmenew«, sagte er fast noch im selben Moment, wobei er auf mich zutrat, um mir die Hand zu geben, und sich bei meinem Namen verhaspelte, obwohl es sich so anhörte, als hätte er diese Begrüßung vorher eingehend geübt. »Es ist mir eine große Ehre, Sie kennenzulernen. Und bei Ihnen, Mrs Jatschmenew, möchte ich mich für die große Ehre bedanken, dass Sie mich in Ihr Haus eingeladen haben.«
»Nun, Sie sind herzlich willkommen, Ralph«, sagte sie, ebenfalls lächelnd. »Wie schön, Sie endlich einmal kennenzulernen. Arina hat uns schon so viel von Ihnen erzählt. Möchten Sie nicht hereinkommen und sich setzen?«
Arina und Ralph nahmen am Tisch Platz. Ich saß Ralph gegenüber und hatte so Gelegenheit, während Soja mit den letzten Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt war, ihn näher in Augenschein zu nehmen. Er war von durchschnittlicher Körpergröße und Figur, mit einem knallroten Haarschopf, was mich überraschte, aber alles in allem kein schlecht aussehender Junge. So weit man das eben von einem Jungen sagen konnte.
»Sie sind älter,
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