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Das Haus

Das Haus

Titel: Das Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Minuten ins Haus hinein und dort auf die Toilette oder sonstwohin. Alles mußte immer in möglichst großen Gruppen stattfinden, das war ganz wichtig. Die meisten kannten sich noch aus dem Kindergarten, danach war noch eine Anzahl neuer Schulbekanntschaften dazugekommen. Mit den wenigen Jungs, die dabei waren, hatten sie dort unten während ihrer Partys im Keller erste Abenteuer, die in einem flüchtigen Händchenhalten oder einer verhohlenen Küsserei bestanden, nur wenige Jahre nach ihren Doktorspielen, bei denen es bedeutend weiter gegangen war. Zum Küssen gingen sie Richtung Ölkeller. Ganz wichtig war bereits damals die Musik, schon die Zweit- oder Drittklässler hatten ihre Hörwünsche, die sie mit allen Mitteln gegen die anderen durchsetzen wollten. Ich habe noch in Erinnerung, daß den Kindern damals auf diesen Partys reihenweise schlecht wurde, vermutlich infolge der Kombination aus Cola und dem besagten Nudelsalat (mit Thomy-Mayonnaise), sie kamen reihenweise ins Erdgeschoß hochgelaufen, ihre jungen Körper waren die Torturen, die ihnenihr eigener Wille bereits auflastete, noch nicht gewöhnt. In einigen Jahren würden sie auf Cola-Asbach und dergleichen umsteigen und dazu immer noch Nudelsalat essen, aber inzwischen mit Mofas zu ihren Partys fahren. Aber davon wußten sie damals noch nichts.
    Vor allem ist mir, was die Gespielinnen meiner Schwester angeht, der Nachmittag in Erinnerung, an dem ich Mau-Mau lernen sollte. Das war noch lange vor der Partyzeit, ich habe keine Ahnung, wie alt ich damals war, ich muß noch ziemlich jung gewesen sein. Die Freundinnenschar war wieder einmal auf die übliche Weise ins Haus eingefallen und hatte mich wie auf Verabredung in den Hobbyraum hinunterzogen, den sie damals seit kurzer Zeit als Spielort für sich entdeckt hatten. Dort lag eine rote Matratze, auf der sie sich zu tummeln pflegten. Wir bringen dir jetzt etwas bei, sagten sie. So saß ich inmitten dieser kichernden und gackernden Gruppe von Mädchen, die mich alle anblickten, als hätten sie etwas Besonderes mit mir vor, um gleich darauf loszuprusten. Eines der Mädchen hielt einen Kartenstapel in der Hand. Sie taten geheimnisvoll und blickten sich immer wieder verschworen an. Dann verteilten sie die Karten und versteckten ihre Gesichter dahinter. Mir gaben sie auch Karten, aber ich verstand nicht, was man mit den Karten machen sollte. Ich betrachtete sie. Du bist an der Reihe,sagten die Mädchen. In meiner Hand hielt ich eine Karte mit einem flaumbärtigen Mann und großer Kappe. Ein Bube! riefen sie.
    Nun folgt einer der eigenartigsten Augenblicke meiner frühen Kindheit, an den ich mich nicht nur genau erinnern kann, sondern ich kann sogar noch das Gefühl von damals zurückrufen – man hat es, wenn überhaupt, nur einmal in seinem Leben. Die Mädchen sagten mir nämlich, ich dürfe mir etwas wünschen. Ich fragte, wieso, was soll ich mir denn wünschen? Was kann ich mir denn wünschen? Die Mädchen lächelten mich an. Alles, was du willst, sagten sie und rückten näher. Alles, fragte ich und schaute jedes Mädchen an, und jedes Mädchen schaute mir lächelnd ins Gesicht. Ich glaubte tatsächlich, was sie sagten, mißverstand es aber vollkommen. Ich glaubte in diesem Moment nämlich an Zauberei. Es war der Augenblick, in dem die Fee auf einen zutritt oder zuschwebt, mit ihrem wunderschönen Gesicht, und einem sagt: Du hast einen Wunsch frei. Ich wußte aus den Märchen, was für eine schwere Last das bedeutet und wie man scheitern kann an einem Wunsch, vor allem dann, wenn man ihn zu schnell und zu unbedacht ausspricht. Du darfst dir alles wünschen, was du willst, sagten die Mädchen noch einmal, unter denen ich auf der Matratze saß, einige lagen auch einfach da und lächelten mich an und versteckten sich wie verschämthinter ihren aufgefächerten Karten, kamen mir aber trotzdem immer näher und drückten sich mit ihren Leibern auf seltsame Weise gegen mich. Ich dachte in Windeseile nach, ich hätte ja niemals damit gerechnet, urplötzlich einen Wunsch freizuhaben und daß es das wirklich gibt. Ich ging in diesem Augenblick wie selbstverständlich davon aus, daß der Wunsch in dem Moment, da ich ihn äußere, in Erfüllung geht, einfach kraft Zauber und Magie und Übernatürlichkeit. Wieso hatte mir vorher noch nie jemand gesagt, daß es das auf der Welt wirklich gibt und nicht nur im Märchen? Wieso sagte es mir erst diese Gruppe junger Mädchen auf der Matratze im Keller, fern irgendwelcher Eltern,

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