Das Hausbuch der Legenden
betroffen und verstummte. Dann aber sang er laut das Lob des Herrn und der heiligen Dorothea. Er predigte allen das Wort Gottes und berichtete von den Zeichen und Wundern, die er mit eigenen Augen gesehen hatte. Fast die ganze Provinz wurde durch ihn zum Christentum bekehrt. Als dies der Landpfleger hörte, befahl er, den Theophilus noch grausamer zu martern als Dorothea. Sein Leichnam sollte zerstückt und den Hunden vorgeworfen werden. So wurde Theophilus mit seinem eigenen Blut getauft.
Cäcilia, die himmlische Chormeisterin
CÄCILIA, DIE Chormeisterin der himmlischen Sänger, war eine echte Römerin. Sie wurde schon von der Wiege an im
christlichen Glauben unterwiesen. Tag und Nacht trug sie das Evangelium verborgen in ihrem Herzen. Sie fühlte sich innig verbunden mit unserem Herrn und versprach ihm, sich ganz ihm zu weihen. Die Eltern aber verlobten das Mädchen mit Valerian, einem liebenswerten jungen Mann aus einer der ersten Familien Roms. Cäcilia schwieg. Sie betete jeden Tag inniger, je näher der Zeitpunkt ihrer Hochzeit kam. Sie bereitete sich mit dreitägigem Fasten auf ein Unternehmen vor, mit dem sie sich ihre Jungfräulichkeit für Christus erhalten wollte. Dann kam der Hochzeitstag. Cäcilia trug ein prächtiges Hochzeitskleid, das alle bewunderten. Auf der bloßen Haut aber trug sie ein grobes härenes Hemd. Während laute Freude das ganze Haus erfüllte und die Saiten klangen, betete sie zu Gott um seine Hilfe. Als dann der Bräutigam am späten Abend seine Braut in die Schlafkammer führte, sagte sie zu ihm:
»Geliebter Freund, ich will dir ein Geheimnis anvertrauen; aber schwöre zuerst, daß du es bewahren und mit keinem Menschen darüber sprechen wirst!« Der junge Mann schwor.
Da sagte Cäcilia: »Ich habe einen Engel vom Himmel zum Liebhaber. Er wacht eifersüchtig über mich und hütet meine Seele und meinen Leib. Er wird dich niederschlagen, sobald du mich berührst; er wird deine schöne Jugend ganz zerstören.
Wirst du mich aber wie ein Bruder lieben, dann wird er dich in seine Liebe einschließen und sich dir in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit zeigen.« Valerian hatte das Mädchen sehr lieb. Darum sagte er: »Ich will dir glauben, wenn du mir den Engel zeigst, wenn ich ihn selber sehe. Ist er wirklich ein Engel, dann werde ich deinen Wunsch erfüllen. Ist er aber ein Mann wie andere Männer, dann werde ich dich und ihn mit diesem Schwert töten.« Cäcilia erwiderte darauf: »Jetzt kannst du den Engel noch nicht sehen. Wenn du aber an den wahren Gott glaubst und dich taufen läßt, dann wird er sich dir zeigen.
Gehe auf der Appischen Heerstraße hinaus aus der Stadt bis zum dritten Meilenstein! Dort wirst du arme Leute finden, die am Wege liegen. Sage ihnen: ›Cäcilia schickt mich. Ihr sollt mich zum ehrwürdigen Urbanus bringen. Ich muß ihm eine geheime Sache mitteilen.‹ Wenn du dann vor Urbanus stehst, dann grüße ihn von mir und berichte ihm alles, was wir besprochen haben. Er wird dich von deinen Sünden reinigen und dich taufen. Dann komm zurück zu mir, damit der Engel auch dir erscheinen kann.«
Valerian ging. Er fand den heiligen Bischof Urbanus in den Katakomben von Rom zwischen den Gräbern der Märtyrer. Er erzählte dem Greis alles. Urban hob Hände und Augen zum Himmel und sprach: »Herr Jesus Christus, empfange die Frucht des Samens, den du in die Seele Cäciliens gelegt hast.
Wie eine emsige und listige Biene hat sie dir gedient. Sie hat den Bräutigam, der wie ein wilder Löwe ankam, in ein sanftes Lamm verwandelt.« Dann redete er lang mit Valerian, nahm ihm das Glaubensbekenntnis ab und taufte ihn. Als der Bräutigam wieder zu seiner Braut zurückkehrte, fand er in ihrer Kammer einen Engel mit zwei Blumenkränzen in der Hand. Der Engel überreichte dem Paar die Kränze mit den Worten, daß diese Blumen nie verwelken und immer duften würden, so lange sie sich die Lauterkeit des Herzens erhielten.
Bald darauf wurde auch der Bruder des Valerian getauft.
Die Brüder führten nun ein Leben, das sie mehr und mehr von ihren Familien trennte. Sie gaben den Armen, was sie hatten, und begruben die Märtyrer, die Almachius, der Statthalter, hinrichten ließ. Als der Statthalter das erfuhr, befahl er die Brüder zu sich und fragte sie: »Warum begrabt ihr diese Verbrecher, die ich zum Tode verurteilt habe?« Da erwiderte Valerian: »Wollte Gott, wir wären die Knechte der Männer, die du Verbrecher nennst!« Der Statthalter versuchte die Brüder noch
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