Das Hausbuch der Legenden
ganze Erdkreis, ihm gehöre alles, was im Himmel und auf Erden sei. Katharina erwiderte, sie wäre glücklich, wenn sie die Liebe und die Achtung dieses Bräutigams gewinnen könne.
Da erzählte ihr der Klausner von Jesus Christus, verkündete ihr das Wort Gottes und versicherte ihr, daß sie mit Hilfe der Mutter Gottes den Sohn gewinnen könne. Sie solle nur immer wieder um ihre Hilfe bitten, solle fasten, beten, wachen und Almosen geben. Eines Tages werde sie dann auch das Antlitz des himmlischen Bräutigams sehen dürfen. Katharina ging nach Hause und unterzog sich allen Andachtsübungen, die ihr der Einsiedler genannt hatte, betete viel und gab reichlich Almosen. Eines Tages zeigte sich ihr Unsere Liebe Frau im Traum. Sie hatte das Kind auf dem Schoß. Das Kind aber verdeckte sein Angesicht, daß Katharina es nicht sehen konnte.
Das kränkte die Prinzessin. Doch bat sie Maria, ihr zu helfen.
Das Kind aber antwortete: »Ich bin schöner als alle
Menschenkinder. Ich will, daß meine Braut mir in allen Stücken gleicht: an Adel, an Reichtum, an Weisheit und an Schönheit. Noch ist sie meiner nicht wert.« Diese Antwort beschämte und demütigte Katharina. Doch gab sie ihre Andachtsübungen nicht auf und versuchte, auf alle Eigenliebe zu verzichten. Nach langer Zeit sprach die Mutter Gottes wieder zu ihr im Traum. Sie sagte: »Geh’ zu dem Einsiedler in den Wald und lass’ dich von ihm taufen. Wenn du den Glauben der Christen annimmst, wird dir mein Sohn auch sein Angesicht zeigen.« Katharina tat wie geheißen, bekannte sich zum Glauben der Christen, ließ sich taufen, betete und kam fröhlich zurück. Schon in der darauffolgenden Nacht erschien ihr die Mutter Gottes mit dem Kinde wieder. Unser lieber Herr war nun freundlich zu ihr, zeigte ihr sein Angesicht, nannte sie seine Braut, steckte ihr einen goldenen Ring an den Finger und sagte: »Trage diesen Ring zum Zeichen dafür, daß ich mich mit dir in reiner Liebe und im wahren Glauben verlobt habe.«
Als Katharina erwachte, fand sie den Ring an ihrem Finger.
Von nun an fühlte sie sich als Braut Christi und handelte danach. Das geschah zu der Zeit, als Kaiser Maxentius befahl, daß alle Welt den römischen Göttern opfern müsse; denn unter den Göttern waren auch die zu Göttern erhobenen Kaiser. Er versuchte damit, das Kaisertum stärker in der Religion zu verankern und auf diese Weise vor dem Zusammenbruch zu retten. Wer den Befehl nicht befolgte, mußte sterben. Da zog Katharina nach Alexandrien, trat dort vor den Kaiser und sagte: »Ich bin die Tochter des Königs Costus, den du zu seinen Lebzeiten verehrt hast. Ich bin also im Purpur geboren und meine Eltern haben mich gründlich in allen sieben Künsten unterweisen lassen. Ich bekenne mich trotzdem zu meinem Herrn Jesus Christus; denn deine Götter können niemandem helfen. Sie hören nicht, wenn ihr sie ruft; sie trösten euch nicht in eurer Angst; sie retten euch nicht aus den Gefahren dieses Lebens.« Der Kaiser sagte: »Wenn das, was du sagst, richtig wäre, dann wärest du die einzige, welche die Wahrheit kennt. Die ganze übrige Welt wäre im Irrtum.
Verlange nicht von uns, daß wir das glauben!« Katharina redete so lange auf den Kaiser ein, bis er keine Antworten mehr fand. Er brach deshalb das Gespräch ab und schickte Katharina weg. Insgeheim schrieb er aber an fünfzig Gelehrte, Weise und Redner und bat sie, nach Alexandrien zu kommen.
Sie sollten gegen hohe Belohnung die predigende Jungfrau mit überzeugenden Gegenargumenten zum Schweigen bringen.
Die fünfzig Weisen waren enttäuscht, daß sie nur mit einem einfältigen Mädchen streiten sollten. Der Kaiser erwiderte, er hätte Katharina zwingen können, den Göttern zu opfern oder in den Tod zu gehen. Sie habe aber großen Einfluß auf weite Kreise seiner Völkerschaften, und es scheine ihm würdiger, die Königstochter auf dem Wege der Weisheit eines Besseren zu belehren. Da riefen die gelehrten Männer: »Dann laßt sie doch vor uns erscheinen, die wunderbare Jungfrau! Sie wird bald ihre Vermessenheit bereuen und erklären, daß sie bis jetzt noch keine weisen Männer getroffen hat.«
Der Kaiser forderte alle Beteiligten für den nächsten Tag zu einer Disputation auf. Da betete Katharina zu Gott, und ein Engel des Herrn kam und tröstete sie und sagte ihr, daß sie alle Meister überwinden und zum Christentum bekehren werde. Da trat sie mutig vor die Versammlung und sagte zum Kaiser:
»Diese fünfzig Meister der Weisheit hast
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