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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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veräußern. Der junge Mann sah eine Weile zu.
    Als alles verkauft war, schleppte er seine Braut vor den Statthalter Pachasius und klagte sie an, gegen die Befehle des Kaisers zu handeln, weil sie Christin war. Als der Statthalter das Mädchen aufforderte, den Göttern zu opfern, antwortete Lucia: »Es gibt kein Opfer, das Gott wohlgefälliger wäre, als die Armen zu besuchen und sie zu trösten. Ich habe ihnen meinen ganzen Besitz geopfert. Heute werde ich mich selbst opfern.« Pachasius: »Erzähle das den Narren, die an denselben Gott glauben wie du! Ich habe die Befehle des Kaisers zu vollstrecken.«
    Lucia: »Du vollstreckst die Befehle des Kaisers, ich aber befolge die Gebote Gottes. Du fürchtest den Kaiser, und ich fürchte Gott. Du scheust dich, den Kaiser zu erzürnen, ich scheue den Zorn Gottes. Du versuchst, alles zu tun, um deinem Kaiser zu gefallen, ich will nur meinem Herrn gefallen, Jesus Christus. Tue, was du für Recht hältst und was dir nützt! Ich werde tun, was ich für nützlich und heilsam halte.«
    Padiasius: »Diese leichtfertige Zunge wird stocken, wenn dein Leib für ihre schnelle Rede büßen muß!« Lucia: »Gottes Worte vergehen nimmer!« Padiasius: »Ich werde dich in das Buhlhaus stecken. Wenn dann die Leichtlebigen mit dir Mutwillen treiben, dann wird der Heilige Geist ausfahren.«
    Lucia: »Es gibt keine Befleckung ohne die Zustimmung der Seele. Meiner Seele aber bin ich sicher. Den Leib befehle ich Gott.«
    Padiasius ließ den Vorsteher des Buhlhauses kommen und befahl ihm: »Gebt sie der Menge preis, bis sie den Geist aufgibt!« Als der Kuppler aber die Jungfrau wegführen wollte, war er nicht imstande, sie von der Stelle zu bewegen. Padiasius ließ sie an Händen und Füßen binden. Mehr als tausend Leute zogen an Stricken, aber sie konnten Lucia nicht von der Stelle bewegen.
    Daraufhin befahl Pachasius, tausend Ochsen vorzuspannen.
    Aber die Jungfrau blieb unbeweglich. Da rief Pachasius seine Zauberer und Beschwörer. Aber auch ihre Sprüche und
    Gebärden, ihre geheimen Mittel, konnten Lucia nicht
    bezwingen. Sie blieb unbeweglich. Da rief der Statthalter:
    »Was sind das für Zauberkräfte, die uns daran hindern, mit tausend Menschen und tausend Tieren ein einziges Mädchen von der Stelle zu rücken?« Lucia aber erwiderte ihm: »Das sind keine Zauberkräfte, das ist die Kraft Gottes, die dich daran hindert, mir deinen Willen aufzuzwingen. Spanne zu den tausend Stieren noch tausend Rosse, du wirst mich nicht bewegen können!« Pachasius hatte Angst vor diesen
    unheimlichen Kräften, er fürchtete auch das Volk, das zu murren begann, er mußte vor ihm seinen Willen durchsetzen.
    Darum ließ er rings um die Jungfrau ein großes Feuer anfachen. Seine Schergen schütteten Harz und Pech in großen Mengen und siedendes Öl in die Flammen. Lucia stand
    lächelnd in der Mitte des Feuermeeres und rief: »Dulde nicht, Allgewaltiger, daß deine Heiligen zu Schanden werden und die Ungläubigen frohlocken!« Da erlosch das Feuer, und Lucia stand unversehrt da. Die Angst des Statthalters wuchs. Da zückte einer seiner Freunde den Dolch und durchbohrte die Kehle der Märtyrerin. Sie konnte aber noch sprechen und sagte: »Höret, was ich euch sage: Soeben wurde der
    christlichen Kirche der Friede wiedergegeben. Maximinianus ist tot und steht vor seinem Richter, und Diokletian hat auf den Thron verzichtet.« Dann lobte sie Gott. Sie redete noch, als Boten aus Rom kamen, die den Statthalter auf Befehl des Kaisers gefangennahmen, um ihn nach Rom zu bringen. Dort wurde er wegen gewaltsamer Erpressungen verurteilt. Lucia aber empfing noch den Leib des Herrn; dann gab sie ihren Geist auf, und alle, die mit ihr waren, sagten Amen.

    Dorothea schickt Äpfel aus dem Paradies

    DER RÖMISCHE Senator Dorus war ein reicher Mann. Er verließ seine Äcker und Weinberge, seine Herden und seine Stadt- und Landhäuser, als Diokletian eine neue grausame Verfolgung aller Christen befahl. Er floh mit seiner Frau Thea und seinen Töchtern Christe und Calliste über das Meer nach Kapadozien und ließ sich in Cäsarea nieder. Hier wurde ihm eine dritte Tochter geboren. Der Bischof taufte sie heimlich und gab ihr einen Namen, der aus den Namen des Vaters und der Mutter zusammengesetzt war: Dorothea. Sie wurde in christlichem Sinne erzogen und entwickelte sich zu einem schönen, klugen und frommen Mädchen. Als der Landpfleger Fabricius sie sah, verfiel er ihrem natürlichen Wesen. Er warb um sie; er bot alle

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