Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
Vom Netzwerk:
Kerkers.
    Ein Knabe brachte eine brennende Kerze, und hinter ihm kam ein Greis mit köstlichem Balsam in einer goldenen Dose. Der Greis begrüßte die Jungfrau und sagte: »Liebe Tochter, der Prokonsul hat dich mit schweren Martern geängstigt. Deine Reden haben ihn aber noch tiefer verletzt. Seine Wunden werden ewig bluten. Die deinen werde ich jetzt heilen.«
    Agathe aber erwiderte: »Ich habe bis jetzt keine leibliche Arznei gebraucht und möchte sie auch heute nicht annehmen.
    Hab Dank für deine gute Absicht!« Da fragte sie der Greis:
    »Warum willst du mir nicht erlauben, dich zu heilen?« Darauf antwortete Agathe: »Wenn mein Herr, Christus, will, daß ich genese, dann kostet es ihn nur ein Wort.« Da lächelte der Greis und sagte: »Ich bin der Apostel des Herrn. In seinem Namen befehle ich dir, zu genesen!« Nach diesen Worten war der alte Mann verschwunden. Agathe aber war geheilt. Die Wachen hatten die Erscheinung gesehen und waren geflohen. Das Gefängnis stand offen. Aber Agathe nutzte die Gelegenheit zur Flucht nicht. Sie hatte die Hände nach der Krone der Märtyrer ausgestreckt und wollte sie nicht mehr verlieren.
    Nach vier Tagen ließ sie der Prokonsul wieder zu sich kommen und forderte sie noch einmal auf, dem
    Christenglauben abzuschwören und den Götzen zu opfern.
    Agathe antwortete: »Spare dir deine Worte, die nur die reine Luft beflecken, meiner Seele aber nicht schaden können. Sollte ich denn Steine anbeten und nicht den Gott im Himmel, der mich geheilt hat?« Quintianus fragte: »Wer hat dich geheilt?«
    Agathe: »Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.«
    Quintianus: »Wieder nennst du diesen verhaßten Namen, den ich nicht hören will!«
    Agathe: »Ich werde diesen Namen im Herzen und auf den Lippen tragen, solange ich atme!«
    Quintianus: »Dann wollen wir doch sehen, ob dieser, dein Herr Christus dir helfen kann!« Er ließ spitze Scherben und glühende Kohlen auf den Boden schütten und zwang die Jungfrau, sich zu entkleiden und sich darauf hin- und herzuwälzen. Plötzlich erbebte die Erde, Tempel und Paläste stürzten ein, zwei Räte des Statthalters wurden an seiner Seite erschlagen. Ein panischer Schrecken ergriff das Volk. Es stürmte den Richtplatz und rief: »Laß ab von dieser Frau, du ungerechter Richter! Siehst du nicht, wie die Götter ihre Unschuld rächen?« Darauf ließ Quintianus Agathe wieder ins Gefängnis führen, er selbst aber verbarg sich vor dem Volk.
    Die Märtyrerin kam erschöpft und schwach atmend im Kerker an; trotzdem warf sie sich auf die Knie und bat Gott, ihre Seele zu sich zu nehmen. Dann gab sie ihren Geist auf.

Lucia und die tausend Ochsen

    LUCIA AUS Syrakus lebte ein halbes Jahrhundert später als die heilige Agathe. Sie wurde in einem christlichen Haus erzogen und gelobte sich schon früh dem Dienst des Herrn. Als ihre Mutter an Blutfluß erkrankte und kein Arzt ihr helfen konnte, pilgerten die beiden Frauen nach Catania, an das Grab der heiligen Agathe, um ihre Fürsprache zu erbitten. Als sie die Kirche betraten, sprach ein Prediger gerade von der Heilung der Blutflüssigen, die der Evangelist Matthäus aufgezeichnet hat. Lucia nahm das als gutes Vorzeichen. Nach dem
    Gottesdienst blieben Mutter und Tochter bis in die Nacht hinein allein am Grab der heiligen Agathe. Lucia schlief darüber ein. Da sah sie im Traum die Heilige im Kreis von vielen Engeln und hörte sie sprechen: »Lucia, meine liebe Schwester, was bittest du mich für deine Mutter. Du hättest meiner Hilfe nicht bedurft. Der Herr hat deine Mutter gesund gemacht um deines Glaubens willen.« Als Lucia erwachte, fühlte sie sich erfrischt und sagte zu ihrer Mutter: »Freue dich, du bist gesund!« Und es zeigte sich, daß die Frau geheilt war.
    Die Mutter hatte Lucia gegen ihren Willen verlobt. Nun bat die Tochter, sie fortan frei über ihre weitere Zukunft entscheiden und ihr das Vermögen zu lassen, das man ihr in die Ehe mitgegeben hätte; denn sie wollte es den Armen schenken. Die Mutter aber weigerte sich. Lucia machte ihr klar, daß sie keine Verdienste mehr erwerben könne, wenn ihr Besitz erst nach dem Tod verteilt werde, denn dann gehöre ihr ja ohnehin nichts mehr. So verkauften sie nach ihrer Heimkehr täglich von ihren Gütern und verteilten den Erlös an die Armen. Der Verlobte von Lucia hörte von den Verkäufen und fragte ihre Amme, was da vorgehe. Sie antwortete ihm, Lucia werde nun ein besseres Gut erwerben. Dazu werde sie zunächst alle ihre Güter

Weitere Kostenlose Bücher