Das Hausbuch der Legenden
du also gegen mich aufgeboten, gegen ein einziges Mädchen. Du hast ihnen große Versprechungen gemacht für den Fall, daß sie mich
überwinden. Du zwingst sie, zu kämpfen. Sie haben kaum Aussicht, jemals einen Lohn zu erhalten; denn sie werden unterliegen. Mein Lohn aber wird Christus sein, der Trost und die Krone aller, die für ihn kämpfen.« Dann begann eine lange Auseinandersetzung zwischen den fünfzig Meistern und dem Mädchen Katharina. Sie disputierten den ganzen Tag, sie redeten bis tief in die Nacht hinein, zuletzt aber redete nur noch Katharina; denn die Weisen verstummten mehr und mehr. Schließlich erklärten die Männer dem Kaiser, daß durch das Mädchen der Heilige Geist Gottes zu ihnen rede, daß sie kein Wort mehr gegen Christus sagen könnten, ja, daß sie in Christus den wahren Gott erkannt hätten, den lebendigen Gott, neben dem die römischen Götzen nicht bestehen könnten.
Als der Kaiser das hörte, ließ er auf dem Markt ein großes Feuer anzünden und die Meister hineinwerfen. Katharina aber sprach zu den Männern und tröstete sie, unterwies sie im rechten Glauben und betete mit ihnen. Die Männer fragten sie, ob sie denn ohne Taufe zu unserem Herrn gelangen könnten, und die Braut des Herrn versicherte ihnen, daß sie sich mit ihrem Blut selbst die Taufe gäben. Sie gingen guten Mutes in den Tod und kamen alle im Feuer um. Katharina aber wurde noch einmal vor den Kaiser Maxentius gebracht. Er sagte:
»Erbarme dich deiner Schönheit und deiner Jugend, edle Jungfrau! Du sollst neben der Kaiserin die erste Frau in meinem Reich sein. Ich werde dein Bild in Gold fassen lassen, und mein Volk wird dich wie eine Gottheit anbeten.«
Katharina antwortete: »Ich bin die Braut Christi. Nichts wird mich von ihm trennen.« Da ließ ihr der Kaiser die Kleider vom Leib reißen und sie mit Skorpionen geißeln. Dann wurde sie in einen fensterlosen Kerker geworfen. Dort sollte sie zwölf Tage ohne Speise und Trank bleiben. Aber eine Taube brachte ihr Nahrung und Engel salbten sie, pflegten ihre Wunden und erfüllten den finsteren Raum mit ihrem Duft.
Während Maxentius abwesend war, besuchten seine
Gemahlin und Porphyrus, der Kommandant der Leibwache, die Gefangene. Die Kaiserin wollte ihre Nebenbuhlerin selber sehen. Sie waren erstaunt von dem himmlischen Glanz, der Katharina umgab, und hörten der Heiligen mit wachsendem Eifer zu, als sie ihnen das Wort Gottes verkündete. Schließlich bekannten sich die Kaiserin, der Kommandant der Leibwache und zweihundert Kriegsknechte, die sie begleitet hatten, zum christlichen Glauben. Die Gefangene betete mit ihnen, sagte der Kaiserin ein baldiges Martyrium voraus und entließ sie.
Als sie wieder allein war, erschien ihr unser Herr in seiner Pracht, in der Mitte seiner Engel, tröstete seine Braut und segnete sie. Katharina lebte nun nur noch im Gedanken an die Herrlichkeit des Jenseits; die Leiden dieser Welt verloren für sie ihre Schrecken. Als der Kaiser zurückkam, ließ er Katharina rufen. Er war erstaunt, sie frischer und schöner als je zu finden. Noch einmal ließ er ihr die Wahl zwischen dem Thron und dem Tod. Er sagte: »Du sollst nicht meine Magd sein! Du sollst als meine Gefährtin neben mir auf dem Thron sitzen, in einem Glanz und in einer Pracht wie keine Königin des ganzen Erdkreises.« Katharina aber antwortete: »Urteile selbst, wie ich wählen soll: Mein Freund ist edel, reich, mächtig und über alle Maßen schön. Auf der anderen Seite steht einer, der ist gering, bettelarm, gebrechlich und über alle Maßen häßlich.« Da kannte die Wut des Tyrannen keine Grenzen mehr. Er ließ Sichelwagen bauen, deren Messer sich gegeneinander drehten und jeden, der zwischen die Räder kam, zerfetzten und zerfleischten. Als man aber Katharina zwischen die Räder binden wollte, zerschmetterte ein einziger Donnerschlag die Marterwagen und erschlug dazu viertausend Heiden. Da rief die Kaiserin dem Maxentius zu: »Willst du denn immer noch weiter mit Gott und seinem Christus
streiten? Siehst du denn nicht, daß er mächtiger ist als du?« Als der Kaiser sah, daß seine eigene Frau sich zu Christus bekannte, schäumte er vor Wut. Er ließ sie vor die Stadt bringen und enthaupten. Porphyrus aber begleitete sie auf diesem letzten Weg und begrub sie.
Am nächsten Tag ließ der Kaiser den Leichnam suchen. Als er erfuhr, daß er begraben worden sei, forschte er nach dem Täter. Um keine Unschuldigen zu gefährden, entdeckte sich Porphyrus dem Kaiser und
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